BGH, Urteil vom 14.6.2018 – III ZR 54/17

Sachverhalt

Die Kl. begehrt Schadensersatz aus Amtshaftung aufgrund eines Einsatzes der Feuerwehr der Bekl. bei einem Großbrand in B. Die Kl. ist Eigentümerin der Anwesen K.-Straße 11 und 15 im Gemeindegebiet der Bekl. Dort befanden sich das Auslieferungslager und das Verwaltungsgebäude eines Reformwarenhandels. Am Abend des 8.2.2010 brach im Bereich der vor den Laderampen des Auslieferungslagers geparkten Lastkraftwagen auf dem Grundstück K.-Straße 15 ein Feuer aus, das auf das Lager- und das Verwaltungsgebäude übergriff. Die Feuerwehr der Bekl. traf ab 21.29 Uhr am Brandort ein. Die Einsatzkräfte stellten – zutreffend – fest, dass der Brand der Lagerhalle nicht mehr zu löschen war, und beschränkten sich darauf, ein Übergreifen des Feuers, insbesondere auf eine auf dem angrenzenden Grundstück K.-Straße 13 befindliche Lagerhalle, zu verhindern. In dem Bereich zwischen der brennenden Halle der Kl. und dem benachbarten Lagergebäude setzte die Feuerwehr ab ca. 23.30 Uhr ein perfluoroctansulfathaltiges Schaummittel (künftig: PFOS-Schaum) ein, um ein Übergreifen des Feuers zu verhindern. Das Grundstück der Kl. in der K.-Straße 15 war nicht an die Kanalisation angeschlossen. Oberflächenwasser wurde über Versickerungsmulden abgeführt, die das beim Löschen des Brandes anfallende Wasser lediglich teilweise aufnehmen konnten und anschließend nach und nach in den Untergrund abgaben. Auf diese Weise gelangte der PFOS-Schaum in das Erdreich und das Grundwasser.

Mit Bescheid vom 2.6.2010 gab die Bekl. der Kl. auf der Grundlage des Bundes-Bodenschutzgesetzes sowie des Landes-Bodenschutz- und Altlastengesetzes umfangreiche Maßnahmen zur Sanierung des Grundstücks K.-Straße 15 auf. Die Kl. hat vorgetragen, der von der Feuerwehr der Bekl. verwendete PFOS-Schaum habe unter Berücksichtigung des dadurch verursachten Schadens nicht eingesetzt werden dürfen. Ein Ausbreiten des Brandes habe auch ohne den Einsatz dieses Schaums verhindert werden können. Die Feuerwehr habe zumindest grob fahrlässig gehandelt. Die Kl. hat die Erstattung der bislang angefallenen und die Freistellung von künftigen Kosten für die Sanierung des Grundstücks infolge des Feuerwehreinsatzes begehrt sowie den Ersatz der Kosten für den Bau eines weiteren Löschwasserbrunnens und des Wertverlusts, den das Grundstück K.-Straße 15 trotz durchgeführter Sanierung erlitten habe. Darüber hinaus hat sie die Feststellung der Ersatzpflicht der Bekl. für alle weitergehenden materiellen, auch künftigen Schäden aus dem Feuerwehreinsatz beantragt.

 

Entscheidungsgründe

Die Kl. hat gegen die Bekl. einen Schadensersatzanspruch aus Amtshaftung gem. § 839 I 1 BGB iVm Art. 34 S. 1 GG.

1. Das BerGer. hat rechtsfehlerfrei erkannt, dass die Entscheidung des Einsatzleiters, den PFOS-Schaum zu verwenden, um einen Übergriff des Feuers auf die auf dem Grundstück K.-Straße 13 befindliche Lagerhalle zu verhindern, ermessensfehlerhaft und damit amtspflichtwidrig war.

a) Das Ermessen des Einsatzleiters war entgegen der Auffassung der Revision nicht schon deshalb zugunsten einer Verwendung des PFOS-Schaums auf Null reduziert, weil nicht auszuschließen war, dass sich noch Personen in dem Nachbargebäude befanden, auf das der Brand überzugreifen drohte.

Das BerGer. hat dem Einsatzleiter zu Recht vorgeworfen, sein Ermessen bei der Auswahl des Mittels zur Verhinderung des Brandübergriffs nicht erkannt und ausgeübt zu haben. Es hat ausgeführt, es liege im Auswahlermessen des Einsatzleiters, welche Maßnahmen zur Gefahrenabwehr im Rahmen der Bekämpfung von Schadenfeuern ergriffen würden. Von mehreren geeigneten Mitteln sei das den Betroffenen am wenigsten in seinen Rechten beeinträchtigende auszuwählen. Auf der Grundlage der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme hat es festgestellt, dass es bei dem Brand zu keinem Zeitpunkt eine Situation gegeben habe, in der es gerechtfertigt gewesen sei, ein fluorhaltiges Schaummittel einzusetzen. Dessen besondere Eigenschaft, auf einer brennenden Oberfläche einen Film zu bilden, habe nicht genutzt werden können, weil keine hinreichend ebene Oberfläche mehr vorhanden gewesen sei. Die weitere günstige Eigenschaft, mit dem Schaum die Oberflächenspannung des mit ihm versetzten Löschwassers herabzusetzen, habe auch durch andere, nicht fluorhaltige Schaummittel erreicht werden können. Zur Kühlung der Außenwand der Halle auf dem Nachbargrundstück sei reines Löschwasser ausreichend gewesen. Bot der PFOS-Schaum aber – wie vom BerGer. festgestellt – gegenüber anderen, Erdreich und Grundwasser weniger gefährdenden Löschmitteln keine Vorteile, durfte er nicht eingesetzt werden, auch nicht zum Schutz von sich möglicherweise in der Nachbarhalle noch aufhaltenden Personen.

Es mag missverständlich sein, wenn das BerGer. dem Einsatzleiter vorwirft, ermessensfehlerhaft angenommen zu haben, zum Aufhalten des Brandes an der Grundstücksgrenze habe es keine Alternative gegeben. Diese Formulierung könnte dahin verstanden werden, der Einsatzleiter habe gegebenenfalls den Brand auf das Nachbargebäude übergreifen lassen müssen. In dem Gesamtverständnis des Berufungsurteils ist ihm jedoch zweifelsfrei zu entnehmen, dass dem Einsatzleiter nicht ein Fehler bei der Ausübung des (Entschließungs-)Ermessens, ob der Brandübergriff zu verhindern war, sondern bei der Ausübung des (Auswahl-)Ermessens, wie – das heißt mit welchem Mittel – der Brandübergriff zu verhindern war, vorgeworfen wird. Dies wird letztlich auch von der Revision nicht verkannt.

2. Das BerGer. hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass die pflichtwidrige Unterschreitung des dem Einsatzleiter zukommenden Auswahlermessens ursächlich für den – nach Klagerücknahme noch streitgegenständlichen – Schaden war. Dabei hat es die Rechtsprechung des erkennenden Senats zugrunde gelegt, nach der eine fehlerhafte Ermessensentscheidung nur dann ursächlich für einen Schaden ist, wenn feststeht, dass bei richtiger Handhabung des Ermessens der Schaden nicht eingetreten wäre (Senat, NVwZ 1985, 682 [684] und VersR 1985, 887 = BeckRS 1985, 30396020; Beschl. v. 28.2.1991 – III ZR 81/90, BeckRS 1991, 6783; vgl. auch BeckOGK/Dörr, 1.4.2018, § 839 BGB Rn. 489).

Die Frage, ob bei fehlerfreiem Verhalten eine andere, den Schaden vermeidende Ermessensausübung vorgenommen worden wäre, hat das BerGer. – entgegen der Revision – nicht in Abweichung von der vorgenannten Senatsrechtsprechung der haftungsausfüllenden Kausalität zugeordnet. Es hat auch nicht offen gelassen, ob eine Belastung des Bodens ebenso, also in gleichem Ausmaß, bei Verwendung eines anderen Löschmittels aufgetreten wäre. In der von der Revision beanstandeten Textstelle des angefochtenen Urteils begründet das BerGer. lediglich, weshalb dahinstehen kann, ob eine Belastung des Bodens und des Grundwassers als solche, das heißt unabhängig von ihrem Ausmaß, auch bei Verwendung eines anderen Löschmittels eingetreten wäre. Es sieht hingegen eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass ein Schadensersatzanspruch der Kl. jedenfalls in irgendeiner Höhe besteht, weil das Vorbringen der Bekl. nicht den Schluss zulasse, dass durch den Einsatz eines anderen Löschmittels Aufwendungen in gleicher Weise angefallen wären. Diese Ausführungen sind nicht zu beanstanden. Sie stehen insbesondere nicht in Widerspruch zu der – zutreffenden – Auffassung des BerGer., eine fehlerhafte Ermessensentscheidung sei nur schadensursächlich, wenn feststehe, dass bei fehlerfreiem Verhalten eine andere, den Schaden vermeidende Ermessensausübung vorgenommen worden wäre. Dass der Kl. durch den Einsatz des PFOS-Schaums ein Schaden entstanden ist, hat das BerGer. einheitlich und widerspruchsfrei bejaht. Die Feststellung der Höhe des Schadens hat es – zutreffend – dem Betragsverfahren überlassen.

3. Die pflichtwidrige Unterschreitung des Auswahlermessens erfolgte schuldhaft. Das BerGer. hat rechtsfehlerfrei ein fahrlässiges Verhalten des Einsatzleiters bejaht.

Das BerGer. ist auf der Grundlage der Beweisaufnahme rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass dem Einsatzleiter zum Zeitpunkt des Brandereignisses die von der Verwendung des PFOS-Schaums ausgehenden Umweltgefahren hätten bekannt sein müssen. Es hat – entgegen der Auffassung der Revision – nicht ohne eigene Sachkunde angenommen, auf die von der Bekl. in ihrem Schriftsatz vom 21.12.2016 aufgezeigten Veröffentlichungen (Landesfeuerwehrschule Baden-Württemberg, Bundesumweltamt, Schweizer Feuerwehrzeitungen, Lehrbuch des Sachverständigen Dr. V) komme es nicht an. Vielmehr hat es unter Heranziehung der Bekundungen des Sachverständigen Dr. V und des zum Zeitpunkt des Brandereignisses bereits seit längerer Zeit geltenden einschlägigen europäischen und deutschen Rechts – nachvollziehbar – angenommen, dass die von dem PFOS-Schaum ausgehenden Umweltgefahren jedenfalls ab Ende der 90er Jahre in Feuerwehrkreisen bekannt gewesen seien und dass ein Berufsfeuerwehrmann wie der Einsatzleiter die vorgenannte Gesetzgebung habe kennen müssen. Sie habe für ihn Anlass zur Beschäftigung mit den dadurch aufgezeigten Umweltgefahren des PFOS-Schaums sein müssen. Eine Konfrontation des Sachverständigen mit dem Vortrag der Bekl. zu den von ihr erörterten Veröffentlichungen und die hierzu notwendige Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung waren daher nicht geboten.

4. Schließlich hat das BerGer. zutreffend erkannt, dass dem Einsatzleiter – und damit auch der Bekl. – kein Haftungsprivileg iSv § 680 BGB dahingehend zugutekommt, dass seine Einstandspflicht auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt ist.

aa) Im Rahmen des Amtshaftungsanspruchs aus § 839 I BGB gilt der Sorgfaltsmaßstab des § 276 BGB (Senat, BGHZ 117, 240 [249] = NJW 1992, 3229), so dass grundsätzlich jeglicher Grad von Fahrlässigkeit die Haftung wegen einer Amtspflichtverletzung begründet.

Allerdings hat gem. § 680 BGB bei einer Geschäftsführung ohne Auftrag der Geschäftsführer nur Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn die Geschäftsführung die Abwendung einer dem Geschäftsherrn drohenden dringenden Gefahr bezweckt. Diese Haftungsbeschränkung gilt, wenn die Voraussetzungen des § 680 BGB erfüllt sind, auch für einen Anspruch aus § 823 BGB (BGH, NJW 1972, 475; OLG Hamburg, VersR 1984, 758 = BeckRS 1984, 5611). Ob sie in diesem Fall (unmittelbar) auch für einen Amtshaftungsanspruch aus § 839 BGB gilt, kann vorliegend schon deshalb dahinstehen, weil die Voraussetzungen einer (öffentlich-rechtlichen) Geschäftsführung ohne Auftrag iSv §§ 677, 680 BGB nicht festgestellt sind. Das BerGer. hat daraus folgende Ansprüche vielmehr – von der Revision unbeanstandet – ausdrücklich offen gelassen.

bb) Eine danach allein in Betracht kommende analoge Anwendung des Haftungsmaßstabs gem. § 680 BGB auf den Amtshaftungsanspruch der Kl. aus § 839 BGB ist vorliegend zu verneinen.

Ob die Haftungsbeschränkung des § 680 BGB zugunsten so genannter professioneller Nothelfer – insbesondere Notärzte, Rettungssanitäter, Bergwacht und Feuerwehr – gilt, ist bereits für den unmittelbaren Anwendungsbereich dieser Vorschrift umstritten. Der BGH hat diese Frage bislang offen gelassen (BGHZ 63, 167 [175] = NJW 1975, 207).

(1) Teilweise wird im Schrifttum die Auffassung vertreten, auch dem beruflichen Nothelfer sei das Haftungsprivileg des § 680 BGB zubilligen (Schwab in NK-BGB, 3. Aufl., § 680 Rn. 3, ausdrücklich auch für Amtshaftungsansprüche; BeckOKBGB/Gehrlein, § 680 Rn. 2; Zimmermann/Neideck, JuS 2011, 1100 [1103]; Lippert, NJW 1982, 2089 [2093]; Timmerbrink, BADK-Information 1996, 13; einschränkend Fehrenbacher in Prütting/Wegen/Weinreich, § 680 BGB Rn. 3). Der besonderen Stellung des Nothelfers soll dieser Ansicht zufolge durch eine am Einzelfall ausgerichtete sowie nach Berufs- und Tätigkeitsfeldern differenzierende Fahrlässigkeitsprüfung Rechnung getragen werden (Zimmermann/Neideck, JuS 2011, 1100 [1103]; Lippert, NJW 1982, 2089 [2093]).

(2) Dagegen wird überwiegend eine Anwendbarkeit des Haftungsmaßstabs aus § 680 BGB in Fällen der Gefahrenabwehr durch professionelle Nothelfer verneint (OLG München, NJW 2006, 1883 [1885]; für die Gefahrenabwehr durch Behörden und Amtspersonen BeckOGK/Thole, 1.10.2017, § 680 BGB Rn. 21; für die Gefahrenabwehr durch die Feuerwehr Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, 283f.; für den Bereich des staatlich organisierten Rettungsdienstes Loyal, Die „entgeltliche“ Geschäftsführung ohne Auftrag, 259; verneinend auch MüKoBGB/Schäfer, 7. Aufl., § 680 Rn. 9; Staudinger/Bergmann, BGB, Neubearb. 2015, § 680 Rn. 15; Soergel/Beuthin, BGB, 13. Aufl., § 680 Rn. 5; Palandt/Sprau, BGB, 77. Aufl., § 680 Rn. 1; Jauernig/Mansel, BGB, 16. Aufl., § 680 Rn. 1; Gregor in jurisPK-BGB, 8. Aufl., § 680 Rn. 7; Erman/Dornis, BGB, 15. Aufl., § 680 Rn. 2; Roth, NJW 2006, 2814 [2816]). Die entsprechende teleologische Reduktion des Anwendungsbereichs von § 680 BGB wird vor allem damit begründet, dass es widersprüchlich sei, einem solchen – in der Regel auch haftpflichtversicherten – Geschäftsführer Aufwendungsersatz gem. § 683 S. 1 BGB in Gestalt der üblichen Vergütung zu gewähren (vgl. zu diesem Anspruch BGH, NJW-RR 2005, 639 [641] mwN) und ihn andererseits nicht mit dem gewöhnlichen Haftungsrisiko nach § 276 BGB zu belasten.

(3) Für die im Streitfall in Ausübung eines öffentlichen Amtes erfolgte Gefahrenabwehr, das heißt im Hinblick auf den geltend gemachten Anspruch aus § 839 I BGB, schließt sich der Senat der letztgenannten Auffassung an. Der eingeschränkte Haftungsmaßstab des § 680 BGB findet jedenfalls in diesem Bereich keine entsprechende Anwendung.

(a) Es fehlt bereits an der für eine Analogie erforderlichen Vergleichbarkeit der zu beurteilenden Sachverhalte (vgl. hierzu zB BGHZ 155, 380 [389f.] = NJW 2003, 2601 mwN).

Nach Sinn und Zweck von § 680 BGB soll der potenzielle Geschäftsführer in Augenblicken dringender Gefahr zur Hilfeleistung ermutigt werden, weil dies auch im allgemeinen Interesse erwünscht und nach § 323c StGB unter Umständen sogar gefordert ist. Die Vorschrift des § 680 BGB will also denjenigen schützen und in gewissem Umfang vor eigenen Verlusten bewahren, der sich zu spontaner Hilfe entschließt. Sie berücksichtigt, dass wegen der in Gefahrensituationen geforderten schnellen Entscheidung ein ruhiges und überlegtes Abwägen ausgeschlossen ist und es sehr leicht zu einem Sichvergreifen in den Mitteln der Hilfe kommen kann (BGH, Urt. v. 17.2.1972 – II ZR 46/70, BeckRS 1972, 31122995; NJW 1972, 475 [476] und BGHZ 43, 188 [194] = NJW 1965, 1271; vgl. bereits Mugdan II, 479).

Diese Situation entspricht nicht derjenigen von Amtsträgern, zu deren öffentlich-rechtlicher Pflicht die „berufsmäßige“ Abwehr einer dringenden Gefahr für Einzelne oder die Allgemeinheit gehört (vgl. § 2 I 1 BWFwG zur gesetzlichen Aufgabe der von der Bekl. unterhaltenen Feuerwehr). Die genannten Amtsträger sind auf die mit der Gefahrenabwehr häufig verbundenen Noteinsätze typischerweise vorbereitet und können auf entsprechende Erfahrungen aus dem Berufsalltag zurückgreifen, so dass das Risiko eines Fehlverhaltens deutlich geringer ist als bei zufällig hinzutretenden Personen (Gregor in jurisPK-BGB, § 680 Rn. 7; Erman/Dornis, § 680 Rn. 2). Zudem hat die hinter der Haftungsbeschränkung des § 680 BGB stehende Erwägung, den fremdnützig in einer Notsituation eingreifenden Helfer vor eigenen Verlusten zu bewahren, in Fällen der Gefahrenabwehr durch Behörden deutlich weniger Gewicht. Die baden-württembergischen Gemeinden als Aufgabenträger der Feuerwehr (§ 3 I 1 BWFwG nehmen am Aufkommen der zweckgebundenen Feuerschutzsteuer teil (§ 33 BWFwG). Sie können darüber hinaus bei Einsätzen zur Brandbekämpfung unter bestimmten Voraussetzungen Kostenersatz verlangen (§ 34 I 2 BWFwG). Auch sind die Feuerwehren der baden-württembergischen Gemeinden über deren kommunale Haftpflichtversicherung mitversichert. Angesichts der auf diese Weise gesicherten Abdeckung der mit Feuerwehreinsätzen verbundenen finanziellen Risiken und Kosten ist der gem. Art. 34 S. 1 GG in Anspruch zu nehmenden Körperschaft ein höheres Haftungsrisiko zuzumuten als dem privaten, im unmittelbaren Anwendungsbereich des § 680 BGB handelnden Geschäftsführer (vgl. hierzu auch Loyal, 259).

(b) Das Gesetz enthält auch keine planwidrige Regelungslücke (zu dieser Voraussetzung einer analogen Gesetzesanwendung vgl. BGHZ 155, 380 [389f.] = NJW 2003, 2601 und BGHZ 149, 165 [174] = GRUR 2002, 238). Ob eine derartige Lücke vorhanden ist, die im Wege der Analogie ausgefüllt werden kann, ist vom Standpunkt des Gesetzes und der ihm zugrunde liegenden Regelungsabsicht zu beurteilen. Das Gesetz muss also, gemessen an seiner eigenen Regelungsabsicht, unvollständig sein (BGHZ 149, 165 [174] = GRUR 2002, 238). Dies ist im Hinblick auf den Haftungsmaßstab für die in Ausübung eines öffentlichen Amtes erfolgende Gefahrenabwehr nicht der Fall.

Der Anwendungsbereich des § 839 I BGB ist davon geprägt, dass ein objektivierter Sorgfaltsmaßstab gilt, bei dem es auf die Kenntnisse und Fähigkeiten ankommt, die für die Führung des übernommenen Amtes erforderlich sind (stRspr; vgl. nur Senat, NJW 1998, 1307 [1308] und BGHZ 117, 240 [249] = NJW 1992, 3229, jew. mwN). Mit diesem Grundsatz ist es nicht vereinbar, die Haftung für eine lediglich einfach fahrlässige Amtspflichtverletzung von vornherein auszuschließen. Das gilt umso mehr, wenn – wie im Bereich der öffentlich-rechtlich organisierten Gefahrenabwehr (zB Polizei, Ordnungsbehörden, Notaufnahmen in Krankenhäusern, Feuerwehr) – die betroffene Tätigkeit den Kernbereich der öffentlich-rechtlich zugewiesenen Aufgaben bildet. Die Revisionserwiderung weist insofern zu Recht darauf hin, dass das Personal der vorgenannten staatlichen Einrichtungen und Dienste gerade dafür ausgebildet wird, in den drängenden Gefahrenlagen, denen es sich in seinem Tätigkeitsgebiet häufig gegenübersieht, auch unter großem Zeitdruck die in Betracht kommenden Handlungsalternativen besonnen gegeneinander abzuwägen und sofort Entscheidungen zu treffen. Eine solche Vorgehensweise entspricht den für die Führung des Amtes erforderlichen Kenntnissen und Fähigkeiten des Amtsträgers als Grundlage des für die Amtshaftung geltenden Sorgfaltsmaßstabs.

Würde dagegen für die gesamte öffentlich-rechtliche Gefahrenabwehr, soweit sie Notsituationen betrifft, ein reduzierter Haftungsmaßstab entsprechend § 680 BGB gelten, wären bedeutende Bereiche staatlicher Tätigkeit von der Haftung für einfache Fahrlässigkeit ausgenommen. Eine derartige Haftungsprivilegierung ist weder mit den vorgenannten Grundsätzen der Amtshaftung nach § 839 BGB vereinbar noch ist sie erforderlich. Denn der besonderen Situation eines Noteinsatzes kann – unter Berücksichtigung der Ausbildung und der Erfahrung des Amtsträgers – auch im Rahmen der Prüfung des Vorwurfs der einfachen Fahrlässigkeit hinreichend Rechnung getragen werden. Ist die objektiv richtige Handlung für den Amtsträger angesichts der Verhältnisse am Einsatzort und in der Kürze der für die Entscheidungsfindung zur Verfügung stehenden Zeit nicht erkennbar, kann ihm jedenfalls kein Fahrlässigkeitsvorwurf gemacht werden. Unter Umständen liegt bereits keine Amtspflichtverletzung vor (vgl. Senat, BGHZ 212, 173 = NJW 2016, 3656 Rn. 46). Einer Absenkung des Haftungsmaßstabs bedarf es daher in solchen Fallkonstellationen öffentlichrechtlicher Gefahrenabwehr nicht.

 

Leitsätze

Die Haftung gem. § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 S. 1 GG wegen eines amtspflichtwidrigen Verhaltens eines zur Gefahrenabwehr handelnden Amtsträgers (hier: eines Feuerwehrbeamten) ist nicht entsprechend § 680 BGB auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt.