OLG Köln (5. Zivilsenat), Beschluss vom 20.07.2018 - 5 U 200/17

 

Sachverhalt

Der Kläger erlitt am 02.11.2012 einen Arbeitsunfall. Dabei zog er sich unter anderem einen Muskelfaserriss im rechten Oberschenkel zu. Im weiteren Verlauf entwickelte sich im rechten Oberschenkel eine tiefe Beinvenenthrombose. Der Kläger erhielt ab dem 23.11.2012 das Medikament Marcumar.

Im Auftrag der Berufsgenossenschaft BG Verkehr erstattete der Beklagte ein phlebologisches Gutachten. Nach Untersuchung des Klägers am 29.11.2013 gelangte der Beklagte zur Diagnose eines Zustandes nach tiefer Beinvenenthrombose rechts und einer Stamm- und Mündungsklappeninsuffizienz der Vena saphena magna rechts. Auf die Bitte der Berufsgenossenschaft, zur Notwendigkeit einer weiteren Marcumarisierung Stellung zu nehmen, äußerte der Beklagte, er halte die Einnahme von Marcumar für nicht mehr erforderlich.

Der Kläger hat behauptet, er habe auf den Rat des Beklagten das Marcumar am 02.12.2013 abgesetzt. Infolgedessen habe sich eine erneute Thrombose entwickelt. Er müsse nun lebenslang Marcumar einnehmen und einen Thrombosestrumpf tragen, was ihn körperlich und seelisch stark belaste.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Der Beklagte sei nicht passivlegitimiert. Er sei im Auftrag der Berufsgenossenschaft als Gutachter zur Klärung sozialrechtlicher Fragestellungen tätig geworden. In einem solchen Fall komme keine persönliche Haftung des Arztes gemäß § 839a BGB analog, sondern allein eine Amtshaftung in Betracht. Dass der Kläger eine private Zusatzversicherung abgeschlossen habe, ändere an diesem Ergebnis nichts.

Entscheidungsgründe

Die Berufung war gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen, denn sie hat nach einstimmiger Überzeugung des Senats offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Senats aufgrund mündlicher Verhandlung, die auch sonst nicht geboten ist.

Ohne Erfolg beruft sich der Kläger auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 05.10.1972 (Az. III ZR 168/70). Dieser lag ein Sachverhalt zugrunde, in dem ein Sachverständiger im Auftrag des Gerichts tätig geworden war. Für diesen Fall enthält die seit dem Jahr 2002 geltende Vorschrift des § 839a BGB eine Rechtsgrundlage für eine persönliche Haftung des Sachverständigen. Der Beklagte ist indes nicht im Auftrage eines Gerichts, sondern im Auftrag einer Berufsgenossenschaft tätig geworden.

Die Vorschrift des § 839a BGB ist im vorliegenden Fall auch nicht analog anwendbar. Eine analoge Anwendung kann in behördlichen Verfahren in Betracht kommen, wenn die Behörde in einer dem Gerichtsverfahren vergleichbaren, justiziellen Funktion tätig wird. Dies ist für das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren anerkannt und wird mit der organisatorischen und institutionellen Nähe der Staatsanwaltschaft zum Gericht und mit der Wahrnehmung von Aufgaben der Justizgewährung auf dem Gebiet der Strafrechtspflege begründet (BGH, Urteil vom 06. März 2014 – III ZR 320/12 –, BGHZ 200, 253-263). Um ein solches gerichtsähnliches Verfahren handelte es sich hier aber zweifellos nicht.

Eine deliktische Haftung des Beklagten ist gemäß § 839 BGB i.V.m. Art. 34 Satz 1 GG ausgeschlossen. Wie bereits im Hinweisbeschluss ausgeführt, hat der Beklagte eine hoheitliche Aufgabe wahrgenommen. An der Bewertung der Tätigkeit des Beklagten als hoheitliche ändert auch nichts, dass der Unfallversicherungsträger nach § 200 Abs. 2 1. HS SGB VII vor Erteilung eines Gutachtenauftrages dem Versicherten mehrere Gutachter zur Auswahl benennen soll (vgl. Senatsbeschluss vom 24.07.2017 – 5 U 12/17, juris, Rn. 5). Ebenfalls ohne Bedeutung ist, dass der Beklagte eine freiberufliche, wissenschaftliche Tätigkeit ausübt und er als Sachverständiger seine Einkünfte zu versteuern hat. Nicht gefolgt werden kann schließlich der Argumentation des Klägers, der Beklagte sei lediglich zur Unterstützung und Vorbereitung der allein dem Unfallversicherungsträger obliegenden hoheitlichen Entscheidung herangezogen worden. In Fällen, in denen eine Behörde oder ein Sozialleistungsträger einen ärztlichen Sachverständigen zur Vorbereitung des Erlasses eines Verwaltungsaktes mit der Untersuchung und Begutachtung einer Person beauftragt hat, hat der Bundesgerichtshof wiederholt angenommen, dass der Sachverständige hoheitliche Aufgaben wahrnimmt (BGH, Urteil vom 19.12.1960 - III ZR 194/59, iuris Rn 35 f., VersR 1961,184; Urteil vom 5.10.1972 - III ZR 168/70, iuris Rn. 12, BGHZ 59, 310 ff.).

 

Leitsätze