Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch

 

Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch richtet sich auf die Rückerstattung rechtsgrundlos erbrachter Leistungen. Er setzt keinen hoheitlichen Eingriff oder eine Schädigung von hoher Hand voraus. Sein Zweck ist nicht die Kompensation eingetretener Vermögensschäden, son­dern die Rückgängigmachung einer ohne Rechtsgrund erfolgten Vermögensverschiebung. Er bildet damit die öffentlich-rechtliche Parallele zum zivilrechtlichen Bereicherungsanspruch gem. §§ 812 ff. BGB (Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 09. Dezember 2015 – 6 A 1040/12 –, juris; BVerwGE 25, 72, 81).

 

Der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch ist ein eigenständiges, gewohnheitsrechtlich anerkanntes öffentlich-rechtliches Rechts­institut, das seine rechtliche Grundlage im Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung hat (BVerwG NJW 1999, 1201 f.). Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch ist nicht nur im Verhältnis Bürger – Staat, sondern auch im Verhältnis Staat – Bürger möglich.

 

Auf den allgemeinen Erstattungsanspruch kann nur zurückgegriffen werden, wenn kein spezialgesetzlicher Erstattungsanspruch Platz greift. Als sondergesetzliche Erstattungsregelungen kommen insbesondere in Betracht:

  • Allgemeines Verwaltungsverfahrensrecht: § 49 a VwVfG sowie die entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften.
  • Sozialrecht: § 50 SGB X; § 20 BAföG;
  • Steuerrecht: § 37 Abs. 2 AO.

 

A. Anspruchsvoraussetzungen

 

Der Vermögensverschiebung muss eine öffentlich-rechtliche Rechtsbeziehung zwischen Anspruchsteller und Anspruchsgegner zugrunde liegen. Eine öffentlich-rechtliche Rechtsbeziehung besteht insbesondere dann, wenn die Vermögensverschiebung aufgrund eines Verwaltungsakts erfolgt. Sofern das der Vermögensverschiebung zugrundeliegende Rechts­­verhältnis nicht dem Öffentlichen Recht, sondern dem Zivilrecht zuzuordnen ist, richtet sich der Ausgleich nach den Vorschriften der §§ 812 ff. BGB.

 

Der Verwaltungsträger muss einen Vermögensvorteil erlangt haben. Unerheblich ist dabei, ob die Vermögensverschiebung durch Leistung (Fall der Leistungskondiktion) oder in sonstiger Weise (dies sind insbesondere die Fallgestaltungen der Eingriffskondiktion und Verwendungskondiktion) erfolgt ist.

 

Maßgebliches Merkmal des Erstattungsanspruchs ist, dass die Vermögensverschiebung ohne Rechtsgrund erfolgt oder der Rechtsgrund später weggefallen ist.

Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch verjährt, soweit keine sondergesetzlichen Vorschriften (z. B. § 50 Abs. 4 SGB X) eingreifen, in drei Jahren, § 195 BGB (BVerwG NJW 2006, 3225, 3226).

 

 

B. Inhalt und Umfang des Erstattungsanspruchs

 

Der Erstattungsanspruch richtet sich auf die Herausgabe des tatsächlich Erlangten. Zu dem erlangten Vermögensvorteil können auch ersparte Aufwendungen zählen (BVerwGE 80, 170, 177). In entsprechender Anwendung von § 818 Abs. 1 BGB erstreckt sich der Anspruch auch auf die gezogenen Nutzungen sowie auf Surrogate, die der Bereicherte aufgrund der Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung des erlangten Gegenstands erworben hat. Eine Verzinsung erfolgt nur, sofern der Bereicherte aus dem ihm zugewendeten Vermögensvorteil auch tatsächlich Zinsen gezogen hat (BVerwGE 71, 48, 53). Ist die Herausgabe des Erlangten unmöglich, muss Wertersatz geleistet werden (BVerwG DVBl. 1980, 686, 689; Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 548). Schadensersatzansprüche kommen nur im Rahmen der verschärften Haftung insbesondere bei Kenntnis vom Fehlen des Rechtsgrundes gemäß §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4, 291 BGB in Betracht (Vgl. BVerwGE 71, 48, 55; Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 548).

Der erstattungspflichtige Hoheitsträger kann sich gegenüber dem Bürger nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen. Dies ergibt sich aus dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. Außerdem wird schon deshalb ein Wegfall der Bereicherung schwerlich eintreten können, weil der Staat wegen seiner Bindung an geltende Haushaltsgrundsätze erlangte Vermögensvorteile weder durch übermäßige Ausgaben im Sinne von Luxusaufwendungen noch durch die schenkweise Weggabe von Sachen schmälern darf (Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 550 m. w. N.).