VGH München, Beschluss vom 29.03.2019 - 3 ZB 16.1749

 

Sachverhalt

Das Verwaltungsgericht hat die auf Schadensersatz und Schmerzensgeld gerichtete Klage abgewiesen. Es könne dahingestellt bleiben, ob die für das Bestehen eines entsprechenden Anspruchs notwendige Voraussetzung eines dem Dienstherrn zurechenbaren objektiv fürsorgewidrigen und schuldhaften Verhaltens vorliege und dieses die gesundheitliche Schädigung des Klägers adäquat kausal verursacht habe, weil der geltend gemachte Ersatzanspruch jedenfalls dadurch ausgeschlossen werde, dass der Kläger seiner Schadensvermeidungspflicht nicht genügt habe. Der in § 839 Abs. 3 BGB enthaltene Rechtsgedanke finde Anwendung, so dass die Ersatzpflicht nicht eintrete, wenn es der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen habe, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden. Rechtsmittel in diesem Sinn seien alle Rechtsbehelfe, die eine Unterbindung des schädigenden Verhaltens und zugleich die Abwendung des Schadens selbst bezwecken und ermöglichen könnten.

Der Kläger habe weder den Rechtsweg beschritten, noch rechtzeitig formlose oder förmliche Rechtsbehelfe ergriffen. Wegen der aus seiner Sicht schon von Anfang August 2009 an erfolgten Diskriminierungen und Schikanen durch den Werkleiter habe erst am 7. März und 22. Juni 2011 mit dem damaligen Verbandsvorsitzenden Landrat W. und am 10. Januar 2012 mit dessen Nachfolger B. gesprochen und Mobbingvorwürfe erhoben. Er hätte sich indes bereits zu einem Zeitpunkt wehren müssen, zu dem sein Gesundheitszustand noch nicht derartig beeinträchtigt gewesen sei, wie nach dem Personalgespräch mit dem Werkleiter am 14. April 2011 und der Änderung des Geschäftsverteilungsplans am 1. Juni 2011, die schließlich am 18. Juli 2011 zu seiner fortdauernden Arbeitsunfähigkeit geführt habe. Die Dienstaufsichtsbeschwerde an die Regierung von Niederbayern habe er erst am 16. März 2012, als er bereits seit nahezu acht Monaten fortdauernd arbeitsunfähig gewesen sei und ein Ruhestandsversetzungsverfahren mit der Anordnung einer amtsärztlichen Untersuchung am 23. Januar 2012 eingeleitet worden sei, erhoben. Den Personalrat habe er erst am 2. März 2012 eingeschaltet. Der Kläger habe es damit schuldhaft unterlassen, seiner Schadensabwendungs- bzw. Schadensminderungspflicht hinreichend nachzukommen, indem er zum einen keinen gerichtlichen Primärrechtsschutz (insbesondere vorläufigen Rechtsschutz oder Klage auf Einhaltung der Fürsorgepflicht des Dienstherrn, amtsangemessene Beschäftigung insbesondere gegen die Änderung des Geschäftsverteilungsplans) eingereicht habe und zum anderen außergerichtliche Rechtsbehelfe zu spät bzw. nicht eingelegt habe.

Aufgrund der Schilderungen des Klägers und der aus seiner Sicht massiven Vorfälle bereits im Lauf des Jahres 2010, spätestens aber nach dem Gespräch mit dem Werkleiter am 14. April 2011 habe sich die Ergreifung von gerichtlichem Primärrechtsschutz (Einhaltung der Fürsorgepflicht, Unterlassung ehrwidriger Behauptungen und anderer innerdienstlicher Maßnahmen, Klage auf amtsangemessene Beschäftigung) förmlich aufgedrängt. Bei verständiger Würdigung des Sachverhalts habe es der Kläger nicht als zielführend ausreichen lassen können, mit dem Werkleiter selbst immer wieder Gespräche zu führen und ihn auf sein Verhalten hinzuweisen, zumal sich nichts an dessen Verhalten ihm gegenüber geändert habe, sondern dieser im Gegenteil die aus Sicht des Klägers empfundenen Angriffe verschärft habe. Die formlosen Gespräche mit den Verbandsvorsitzenden seien jedenfalls nicht ausreichend gewesen. Insoweit wurde auf die obergerichtliche Rechtsprechung verwiesen (Brandenburgisches OLG, U.v. 8.9.2015 - 2 U 28/14 - Rn. 54 ff.; OVG NW, U.v. 12.12.2013 - 1 A 71/11- Rn. 80 ff.).

 

Entscheidungsgründe

Es ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass ein Schadensersatzanspruch eines Beamten gegen den Dienstherrn neben einem bezifferbaren Schaden voraussetzt, dass sich der Dienstherr gegenüber dem Beamten rechtswidrig und schuldhaft verhalten hat, dass dieses Verhalten den Schaden adäquat kausal herbeigeführt hat und dass der Beamte seiner Schadensabwendungspflicht nach § 839 Abs. 3 BGB nachgekommen ist. Dies gilt grundsätzlich auch bei Klagen auf Schadensersatz wegen Mobbing (BVerwG, B.v. 3.11.2014 - 2 B 24.14 - Buchholz 232.0 § 78 BBG 2009 Nr. 1). Auch der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 30. Juni 2016 (III ZR 316/15 - NVwZ-RR 2016, 917) klargestellt, dass § 839 Abs. 3 BGB (Anspruchsausschluss wegen vorwerfbaren Nichtgebrauchs eines Rechtsmittels) grundsätzlich auch auf Amtshaftungsansprüche wegen amtspflichtwidrigen Mobbings anwendbar ist. Ob es dem Anspruchsteller möglich und zumutbar ist, sich mit einem Rechtsmittel gegen Mobbing-Maßnahmen zu wehren, und sich der Nichtgebrauch eines Rechtsmittels als vorwerfbar darstellt, ist ebenso wie die Erfolgsaussicht des Rechtsmittels eine Frage, die aufgrund der konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu beurteilen ist.

 

Soweit der Kläger meint, ihm sei die Ergreifung von gerichtlichem Primärrechtsschutz unzumutbar gewesen, kann er damit nicht durchdringen. Gegen Umsetzungen und Änderungen des Aufgabenbereichs eines Beamten besteht die Möglichkeit, vorläufigen Rechtsschutz mithilfe eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu suchen (Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Auflage 2017, Rn. 1375-1379 m.w.N.). Mit der vom Kläger behaupteten „Komplettkaltstellung“ lag ein Sachverhalt vor, der eine eklatante Verletzung des Anspruchs auf amtsangemessene Beschäftigung nahelegt. Dagegen ist effektiver Rechtsschutz möglich (vgl. BVerwG, U.v. 22.6.2006 - 2 C 1.06 - NVwZ 2006, 1291; OVG Hamburg, B.v. 24.10.2007 - 1 Bs 222/07 und speziell in Bezug auf Mobbing OVG NW, U.v. 12.12.2013 - 1 A 71/11 - juris Rn. 89 ff.). Vor diesem Hintergrund reicht es nicht aus, wenn der Kläger darauf verweist, er habe gegen die zum 1. Juni 2011 erfolgte Änderung des Geschäftsverteilungsplans das Gespräch mit dem alten und neuen Zweckverbandsvorsitzenden gesucht und am 16. März 2012 Aufsichtsbeschwerde bei der Regierung von Niederbayern erhoben. Allein die damit verbundene Inkaufnahme eines langen Zeitablaufs wiederlegt die Ausführungen seiner Bevollmächtigten, es mache im Sinne der Schadensminderung keinen Unterschied, „ob die Herstellung des amtsangemessenen Dienstpostens durch die Aufsichtsbehörde oder durch ein Gericht veranlasst werde“.

Auch der vom Verwaltungsgericht angeführte vorläufige Rechtsschutz auf Einhaltung der Fürsorgepflicht bzw. auf Unterlassung von vom Kläger mehrfach als ehrverletzend bezeichneten Mobbinghandlungen wäre in Betracht gekommen (vgl. VG Aachen, B.v. 23.3. 2011 - 1 L 46/11 - juris; LAG BW, U.v. 27.7.2001 - 5 Sa 72/01). Dazu hätte es in Bezug auf die Ehrverletzung indes einer Substantiierung bedurft, da dem Kläger selbst bewusst ist, dass nicht jede Auseinandersetzung oder Meinungsverschiedenheit mit Vorgesetzten den Begriff des Mobbings erfüllt. Der Verweis darauf, dass der Kläger beim Beklagten in einem kleinen Geschäftsbereich mit nur einer für ihn amtsangemessenen Stelle gearbeitet habe, entbindet ihn - unabhängig davon, ob die Annahme des Verwaltungsgerichts zutrifft, der Beklagte sei schon keine ganz kleine Organisationseinheit - nicht von effektiven Abwehrmaßnahmen. Die Gefahr, dass der Beamte seinem Vorgesetzten weiterhin ausgesetzt gewesen wäre, darf nicht dazu führen, dass er sehenden Auges alles „schluckt“ und sich im Nachhinein auf Mobbing beruft und Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche geltend macht. Dies gilt insbesondere deshalb, weil der vorgesetzte Werkleiter nicht mit dem Dienstherrn selbst gleichzusetzen ist und die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes dem Zweckverbandsvorsitzenden die Notwendigkeit von Fürsorgemaßnahmen wesentlich eindringlicher vor Augen geführt hätte (vgl. LAG Schleswig-Holstein, U.v. 28.3.2006 - 5 Sa 595/05 - juris). Insoweit trifft der Vorhalt des Verwaltungsgerichts, es erschließe sich nicht, warum sich der verwaltungserfahrene Kläger nur mündlich an den damaligen Zweckverbandsvorsitzenden gewandt habe und keinen förmlichen schriftlichen Antrag gestellt habe, der die Vorwürfe und eine spätere Untätigkeit des Adressaten dokumentiert hätte, offenkundig zu.

 

Leitsätze