Staatliche Haftung beim Einsatz von IT

Die öffentliche Verwaltung setzt die elektronische Datenverarbeitung (EDV) zur Erfüllung ihrer Aufgaben bereits seit Ende der 50er Jahre des letzten Jahrhunderts ein (Vgl. hierzu und zum Faktor technischer Möglichkeiten in der Verwaltung Wolf/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 5 VII. Zur Verwaltungsautomation allgemein Maurer, § 18, Rdn. 1ff.). Jedoch bringt die Informations- und Kommunikationstechnologie erst in den letzten Jahren entscheidende Veränderungen für Struktur und Handlungsformen der Verwaltung. Kennzeichnend hierfür ist die Ablösung der Verwaltung vom Informationsträger Papier und eine Wandlung von der Papierverwaltung zur elektronischen Verwaltung (Vgl. Roßnagel, NJW 2003, 469, 470.).

Zunehmende Bedeutung erlangen elektronische Register wie das elektronische Handelsregister (Hierzu Bergmann, K&R 2003, 228.) und das elektronische Grundbuch (Hierzu Göttlinger, DNotZ 2002, 743.). Durch das Dritte Verwaltungsverfahrensänderungsgesetz (3. VwVfÄG) (BGBl. I 2002 S. 2322. Zeitgleich haben viele Länder ihre Verwaltungsverfahrensgesetze angepasst, etwa durch das ebenfalls zum 1.2.2003 in Bayern in Kraft getretene Gesetz zur Stärkung elektronischer Verwaltungstätigkeit, GVBl. 2002, 962. Ausführlich dazu: Deubert, BayVBl. 2003, 426.) wurde u.a. mit der Einführung des elektronischen Verwaltungsakts und der Anerkennung der elektronischen Form das elektronische Verwaltungsverfahren ermöglicht (Hierzu Roßnagel, NJW 2003, 469; Schlatmann, LKV 2002, 489.). Das Vierte Verwaltungsverfahrensänderungsgesetz (4. VwVfÄndG) (Das Gesetz ist zum 18.12.2008 in Kraft getreten.) hat mit § 71e VwVfG einen Anspruch auf Durchführung eines elektronischen Verwaltungsverfahrens eingeführt.

Unter dem Oberbegriff „Electronic Government“ (Eine allgemeingültige Definition ist hierzu noch nicht gefunden. Im wesentlichen wird unter „Electronic Government“ bzw. „E-Government“ wohl ganz allgemein das IT-gestützte Handeln des öffentlichen Sektors zu verstehen sein. Zur Praxis im Verwaltungsalltag Heckmann, K&R 2003, 425; zur Modernisierung der Verwaltung durch eGovernment: Schuppan/Reichard, LKV 2002, 105; zur historischen Entwicklung des eGovernment: Boehme-Neßler, NVwZ 2001, 374, 375. Zu den rechtlichen Rahmenbedingungen für eGovernment siehe das E-Government Handbuch des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), http://www.bsi.de.) wird eine Vielzahl von Projekten umgesetzt, die das Verwaltungshandeln erleichtern und beschleunigen sollen. 2003 haben Bund und Länder die gemeinsame E-Government-Strategie Deutschland-Online beschlossen, deren Ziel es ist, eine effizientere Verwaltung zu schaffen, indem bestimmte Verwaltungsvorgänge unter Nutzung der Informationstechnik vereinfacht und automatisiert werden. Im Rahmen des Projektes „Bund Online 2005“ hat die Bundesverwaltung zum Ende des Jahres 2005 insgesamt 440 internetfähige „Dienstleistungen“ online zur Verfügung gestellt (Vgl. die eGovernment Initiative des Bundes vom September 2000: http://www.bundonline2005.de.). Hierzu zählen Leistungen in folgenden Bereichen: Bereitstellung von Informationen, Beratung, die Vorbereitung politischer Entscheidungen, Zusammenarbeit mit Behörden, Antragsverfahren, Förderungen, Beschaffungsvorhaben (Hierzu Heckmann, K&R 2003, 97.) und Durchführung von Aufsichtsmaßnahmen. Vergleichbare Bestrebungen gibt es auch auf Ebene der Länder (Vgl. die eGovernment Initiative der Bayerischen Staatsregierung unter: http://www.bayern.de. ) und der Kommunen (Vgl. http://www.idw-online.de. Media@Komm geht auf eine Initiative der Bundesregierung aus dem Jahr 1998 zurück, die den Aufbau von virtuellen Rathäusern in Städten und Gemeinden unter Verwendung der elektronischen Signatur fördert.). Aufbauend auf dem Aktionsplan E-Government der europäischen Initiative i2010, den Erfahrungen mit BundOnline 2005 und Deutschland-Online hat der Bund schließlich Ende 2006 das Programm E-Government 2.0 beschlossen, um das Regierungsprogramm Zukunftsorientierte Verwaltung durch Innovation zu konkretisieren. Im Jahr 2009 wurde mit dem neu geschaffenen Art. 91c GG eine stärkere Bund-Länder-Zusammenarbeit etabliert. Nächstes Ziel ist die Ausweitung des E-Government auf verbindlichere Verfahren; dazu gehören der elektronische Identitätsnachweis des neuen Personalausweises und die De-Mail-Infrastruktur (S. dazu www.cio.bund.de.). Durch das E-Governement-Gesetz (EGovG) wurden dafür die rechtlichen Grundlagen geschaffen.

Mit dem zunehmenden Einsatz (S. dazu die Studie zur Nutzung und Akzeptanz von elektronischen Bürgerdiensten eGovernement Monitor 2011, abrufbar unter www.initiatived21.de) der Informations- und Kommunikationstechnologien insbesondere im Bereich des hoheitlichen Handelns mehren sich für die Verwaltung aber auch die technologietypischen Risiken und rechtlichen Probleme.

 

Haftungsprobleme entstehen beim Einsatz von maschinellen Verarbeitungssystemen ohne menschliche Mitwirkung (sog. vollautomatisierte Fallbearbeitung oder "Dunkelverarbeitung").

  

Staatliche Haftung für Fehler bei der automatisierten Datenverarbeitung

 

Die staatliche Haftung für Fehler bei der automatisierten Datenverarbeitung ist noch völlig ungeklärt. Da es bei einer maschinellen Verarbeitung an einem menschlichen Zutun fehlt, scheitert jeder Amtshaftungsanspruch jedenfalls am fehlenden Verschulden eines Amtswalters. Die Umdeutung von § 839 BGB in einen Gefährdungshaftungstatbestand kommt ebenfalls nicht in Betracht.

Ansatzpunkt muss daher die letztlich amtspflichtwidrige Freigabe einer Software durch einen verantwortlichen Amtswalter sein, deren Einsatz im Rahmen einer automatisierten Datenverarbeitung zu einer fehlerhaften Rechtsanwendung geführt hat. Die Amtspflichtverletzung liegt also nicht primär in der fehlerhaften Rechtsanwendung im Einzelfall, sondern in der "Indienststellung" einer fehlerhaften Software. Beim Verschulden kommt es dann entscheidend darauf an, ob der konkrete Einzelfall, in dem die Software und die auf ihr beruhende maschinelle Verarbeitung zu einem rechtswidrigen Ergebnis geführt hat, vorhersehbar war und insofern ein echter Programmierfehler vorlag ("Übersehen einer Fallgruppe"). Die Amtspflichtverletzung hat dann allerdings nicht der Programmierer begangen, sondern der Amtswalter, der die Software "abgenommen" hat.