Die Vorbereitung des Amtshaftungsprozesses

Die effektive Durchsetzung eines Amtshaftungsanspruchs beginnt nicht erst mit der Erhebung der Amtshaftungsklage. Die Weichen hierfür werden vielmehr regelmäßig bereits im Vorfeld des Amtshaftungsprozesses auf der Ebene des Primärrechtsschutzes vor den Verwaltungsgerichten gestellt.

Im Hinblick auf die Bindung des Zivilgerichts an die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts ist ohnehin – soweit möglich – die Erhebung einer Klage zum Verwaltungsgericht zu empfehlen.

Außerdem müssen noch vor Erhebung der Amtshaftungsklage mögliche Ansprüche gegen Drittschädiger geprüft werden.

 

Zur sachgerechten Vorbereitung des Amtshaftungsprozesses gehört schließlich auch, die Kostenfrage zu klären und die Beweissituation zu sichern oder zu verbessern.

 




A. Durchführung bestimmter Vorverfahren

 

 

 

I. Inanspruchnahme von Primärrechtsschutz

 

1. Anspruchsausschluss nach § 839 Abs. 3 BGB

 

2. Hemmung der Verjährung

 

3. Bindende Entscheidung über Vorfragen des Amtshaftungsprozesses insbesondere durch eine Fortsetzungsfeststellungsklage

 

a) Überblick

 

b) Feststellungsinteresse bei der Fortsetzungsfeststellungklage

 

II. Durchsetzung einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit

 

III. Verwaltungsbehördliches Vorverfahren

 

IV. Schlichtungsverfahren

 

 

I. Inanspruchnahme von Primärrechtsschutz

Bei hoheitlichem Unrecht ist es regelmäßig erstes Ziel des Betroffenen, den Eingriff in seine Rechte durch die Inanspruchnahme von Primärrechtsschutz abzuwehren. Soweit es durch Ausschöpfung der entsprechenden Rechtsmittel nicht gelingt, eine Schädigung zu verhindern, kommt ein auf Zahlung von Schadensersatz gerichteter Amtshaftungsanspruch als Sekundäranspruch in Betracht. Der Betroffene ist dabei aus mehreren Gründen gut beraten, nach Möglichkeit unverzüglich alle Rechtsmittel i. S. v. § 839 Abs. 3 BGB gegen das rechtswidrige hoheitliche Verhalten geltend zu machen:

1. Anspruchsausschluss nach § 839 Abs. 3 BGB

Sofern ein Rechtsmittel schuldhaft versäumt wird, ist der Anspruch gem. § 839 Abs. 3 BGB ausgeschlossen, soweit der Schaden durch die Einlegung des Rechtsmittels hätte verhindert werden können. Die schuldhafte Versäumung eines Rechtsmittels führt gleichzeitig zum Ausschluss eines Anspruchs aus enteignungsgleichem Eingriff, weil auch hier der Grundsatz des Vorrangs des Primärrechtschutzes gilt.

2. Hemmung der Verjährung

Durch unverzügliche Inanspruchnahme bestimmter Rechtsmittel kann der Geschädigte bereits vor Erhebung der Amtshaftungsklage die Hemmung der Verjährung des Amtshaftungsanspruchs bewirken: Nach der Rechtsprechung des BGH tritt eine Hemmung der Verjährung in entsprechender Anwendung des § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB durch Einlegung eines Widerspruchs nach §§ 68 ff. VwGO oder durch die Erhebung einer verwaltungsgerichtlichen Klage ein (BGHZ 95, 238, 242 noch zu § 209 Abs. 1 BGB a. F.; OLG München, Beschl. v. 07.05.2012, Az. 1 U 4371/11 zu § 204 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB; vgl. auch Staudinger-Wurm, § 839 BGB, Rdn. 381 f). Dies folgt daraus, dass der Betroffene wegen des Vorrangs des verwaltungsgerichtlichen Primärrechtsschutzes zur Einlegung von Rechtsbehelfen verpflichtet ist und ihm hieraus kein Nachteil hinsichtlich der Verjährung des Amtshaftungsanspruchs entstehen darf. Voraussetzung ist allerdings, dass sich die verwaltungsgerichtliche Klage gegen dieselbe Körperschaft richtet, gegen die später der Amtshaftungsanspruch geltend gemacht werden soll; bei unterschiedlichen Körperschaften tritt mithin keine Hemmung der Verjährung ein. In einem solchen Fall genügt auch nicht die Beiladung; (BGH BayVBl. 2004, 92) vielmehr muss eine eigene Leistungs- oder zumindest Feststellungsklage gegen diejenige Körperschaft, gegen die sich der Amtshaftungsanspruch richtet, erhoben werden und dann zweckmäßiger Weise die Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichts beantragt werden. Die Petition an einen Landtag führt dagegen nach Auffassung des OLG München nicht zu einer Hemmung der Verjährung, weil eine Petition kein Rechtsmittel im Sinne des § 839 Abs. 3 BGB ist (OLG München, Beschl. v. 07.05.2012, Az. 1 U 4371/11). Die Geltendmachung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs durch Klage zum Sozialgericht hemmt die Verjährung des Amtshaftungsanspruchs, der auf dasselbe Fehlverhalten des Sozialversicherungsträgers gestützt wird (BGHZ 103, 242, 247 f. zu § 209 BGB a. F.; vgl. auch v. Einem, BayVBl. 1991, 164).

3. Bindende Entscheidung über Vorfragen des Amtshaftungsprozesses insbesondere durch eine Fortsetzungsfeststellungsklage

 

a) Überblick

Der Betroffene ist nicht nur wegen § 839 BGB gehalten, Primärrechtschutz zu suchen, sondern er kann sich andererseits auch durch die Erhebung einer Klage zum Verwaltungsgericht die spätere Durchsetzung von Amtshaftungsansprüchen vor dem Zivilgericht wesentlich erleichtern. Die Zivilgerichte sind nämlich an die Entscheidung des Verwaltungsgerichts über die Rechtswidrigkeit einer behördlichen Entscheidung gebunden. Hebt also etwa das Verwaltungsgericht einen Verwaltungsakt wegen Rechtswidrigkeit auf oder stellt es die Rechtswidrigkeit bzw. Nichtigkeit fest, so muss der Geschädigte im Amtshaftungsprozess die Rechtswidrigkeit und damit die Amtspflichtswidrigkeit des behördlichen Verhaltens aufgrund der Bindungswirkung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung nicht erneut beweisen.

Der wesentliche Vorteil einer den Amtshaftungsprozess vorbereitenden Klage vor dem Verwaltungsgericht liegt dabei neben der Entscheidung durch den sachnäheren Richter darin, dass im Gegensatz zum Zivilprozess, wo der Kläger die Darlegungs- und Beweislast für die Rechtswidrigkeit der behördlichen Maßnahme trägt, im verwaltungsgerichtlichen Verfahren dem Kläger alle Vorteile des Untersuchungsgrundsatzes (§ 86 Abs. 1 VwGO) zugute kommen, mithin die Beweissituation wesentlich besser ist. Zu beachten ist allerdings, dass in einer verwaltungsgerichtlichen Klage nicht über sämtliche Voraussetzungen des Amtshaftungsanspruchs entschieden werden kann. Insbesondere muss der Kläger im Zivilprozess immer noch den Verschuldensbeweis führen, da es im Verwaltungsprozess regelmäßig nur auf die Rechtswidrigkeit der Verwaltungsmaßnahme, nicht aber auf ein Verschulden der handelnden Amtsträger ankommt. Als zulässige Klagen kommen insbesondere die Anfechtungs-, Verpflichtungs-, Fortsetzungsfeststellungs- und Feststellungsklage in Betracht. Eine Feststellungsklage ist allerdings unzulässig, soweit das notwendige Feststellungsinteresse allein mit der Absicht zur Erhebung einer Amtshaftungsklage begründet wird (BVerwGE 81, 226, 227 f.; OVG

Saarlouis, Beschluss vom 13.08.2019 - 1 A 103/18) der Kläger muss also bei einer Feststellungsklage zusätzliche Gründe für die Erhebung der Klage, etwa eine fortwährende Beeinträchtigung durch die angegriffene Maßnahme, vortragen. Hat der Betroffene einen ihn belastenden rechtswidrigen Verwaltungsakt mit der Anfechtungsklage angegriffen, erledigt sich die Hauptsache nach Klageerhebung aber deshalb, (zur Erledigung der Hauptsache im Verwaltungsprozess Feser/Kirchmaier, BayVBl. 1995, 641) weil die Aufhebung des Verwaltungsaktes sachlich nicht mehr möglich ist, kann der Kläger seine Anfechtungsklage auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage umstellen und auf Antrag durch Urteil feststellen lassen, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig war. Eine solche Klageumstellung ist dem Kläger dringend zu empfehlen, da er hierdurch eine das Zivilgericht bindende Entscheidung zur Rechtswidrigkeit des Verwaltungsgerichts herbeiführen kann; verpflichtet hierzu ist er freilich nicht, da die Fortsetzungsfeststellungsklage kein Rechtsmittel im Sinne des § 839 Abs. 3 BGB ist.

  

b) Feststellungsinteresse bei der Fortsetzungsfeststellungklage

Das für eine Fortsetzungsfeststellungsklage (siehe zur Fortsetzungsfeststellungsklage vertiefend Rozek, JuS 1995, 414, 598, 697; Göpfert, NVwZ 1997, 143) gem. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO erforderliche Feststellungsinteresse ist nach der Rechtsprechung dann gegeben, wenn die Feststellung für die Geltendmachung von Ansprüchen aus Amtshaftung erheblich ist, ein solcher Prozess mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist und nicht offensichtlich aussichtslos erscheint (HessVGH, Urt. v. 04.07.2012, Az. 6 C 825/11.T; BayVGH Urt. v. 09.02.2012, Az. 11 B 10.2791; vgl. Kopp/Schenke, § 113 VwGO, Rdn. 136 m. w. N). Der Kläger muss dabei zu allen anspruchsbegründenden Tatsachen vortragen und insbesondere auch zumindest die Wahrscheinlichkeit eines auf die Verletzungshandlung zurückzuführenden Schadens substantiiert darlegen (BGH NJW 2007, 224; Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 03. Februar 2016 – 2 A 160/14 –, juris). Er muss also insgesamt sein Fortsetzungsfeststellungsinteresse hinreichend substantiiert begründen (VG Augsburg, Urteil vom 16. Juni 2016 – Au 5 K 16.271 –, juris). Ein Amtshaftungsprozess ist offensichtlich aussichtslos, wenn ohne ins Einzelne gehende Prüfung erkennbar ist, dass der behauptete Schadensersatzanspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt bestehen kann (BVerwG NVwZ 1992, 1092; BVerwG NJW 1988, 926, 927). Das Kriterium der offensichtlichen Aussichtslosigkeit des Schadensersatz- bzw. Entschädigungsprozesses ist nicht unproblematisch, da die Prüfung der Erfolgsaussichten eines Amtshaftungsanspruchs oder eines Anspruchs aus enteignungsgleichem Eingriff als Hauptfrage in die ausschließliche Rechtswegkompetenz der Zivilgerichte fällt (Rozek, JuS 1995, 598, 601). Das Verwaltungsgericht ist deshalb nicht befugt, auf dem Umweg über die Prüfung des rechtlichen Interesses die Tatbestandsmerkmale des Amtshaftungsanspruchs im Einzelnen zu untersuchen (Rozek, JuS 1995, 598, 601; vgl. auch BVerwG NVwZ 1992, 1092). § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO rechtfertigt insbesondere keine Schlüssigkeitsprüfung des beabsichtigten Anspruchs im Hinblick auf alle anspruchsbegründenden Tatbestandsmerkmale (BVerwG NJW 1988, 926, 927). An den Begriff der „offensichtlichen Aussichtslosigkeit“ sind dementsprechend strenge Anforderungen zu stellen (BVerwG NJW 1988, 926, 927). Der Misserfolg muss sich geradezu aufdrängen, die bloße Wahrscheinlichkeit der Erfolglosigkeit genügt nicht (Rozek, JuS 1995, 598, 601). Ein Amtshaftungs- und Entschädigungsprozess kann offensichtlich aussichtslos sein, wenn

  • den Amtswalter kein Verschulden trifft (was insbesondere dann der Fall ist, wenn ein Kollegialgericht in seinem Urteil den streitgegenständlichen Verwaltungsakt als rechtmäßig angesehen hat ( BVerwG NJW 1985, 876 m. w. N.; BVerwG Bschl. V. 3.5.2004, Az. 6 B 17/04));
  • der behauptete Schaden eindeutig durch mit dem Schadensereignis in adäquat ursächlichem Zusammenhang stehende Vorteile ausgeglichen wurde (Vorteilsausgleichung); ( BVerwG NJW 1988, 926, 927)
  • der Schaden von vorneherein nicht in den Schutzbereich der verletzten Amtspflicht fällt; ( BVerwG NVwZ 1982, 560, 561 f)
  • der geltend gemachte Rechtsverstoß für den eingetretenen Schaden nicht kausal gewesen sein kann; ( BVerwG NVwZ 1989, 1156)
  • der Amtshaftungsanspruch bereits verjährt ist und sich der Beklagte auf Verjährung beruft (BVerwG BayVBl. 1983, 121).

Wird ein Kläger bei Verfolgung eines Verpflichtungsbegehrens von einer für ihn nachteiligen Rechtsänderung betroffen, so kann im Einzelfall gleichwohl ein berechtigtes Interesse i. S. v. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO für eine Fortsetzungsfeststellungsklage fehlen, wenn die sachliche Entscheidung hierüber schwierige und zeit- und kostenaufwendige Aufklärungsmaßnahmen (Sachverständigengutachten) gegebenenfalls in Verbindung mit rechtsgrundsätzlichen Festlegungen in einem naturwissenschaftlich ungesicherten Bereich voraussetzen würde (VGH Mannheim NVwZ 1994, 709). Auch die verwaltungsgerichtliche Feststellung, dass die Behörde an einem bestimmten Tag verpflichtet war, eine behördliche Erlaubnis zu erteilen, kann nicht mit der Fortsetzungsfeststellungsklage begehrt werden (OVG Münster NVwZ 1987, 335 (Gaststättenerlaubnis)). Denn ein Fortsetzungsfeststellungsbegehren darf seinem Gegenstand nach nicht über das hinausgehen, was ohne den Eintritt der Erledigung mit der ursprünglichen Verpflichtungsklage hätte begehrt werden können. Andernfalls wäre es nicht mehr nur die aus Gründen der Prozessökonomie zugelassene Fortsetzung eines früheren Begehrens, sondern dessen Ersetzung durch ein anderes neues Begehren. Der Kläger könnte sonst eine Feststellung darüber erreichen, ab wann die Verpflichtung bereits bestand, während ein auf eine Verpflichtungsklage hin ergangenes stattgebendes Urteil lediglich die Verpflichtung des Beklagten ausspricht, die beantragte Erlaubnis (überhaupt) zu erteilen (OVG Münster NVwZ 1987, 335, 336).

Ist schließlich der Behörde ein Ermessensspielraum oder eine Beurteilungsermächtigung eingeräumt, kann im Rahmen einer Fortsetzungsfeststellungsklage nicht die gerichtliche Entscheidung herbeigeführt werden, dass die Behörde zu der begehrten Amtshandlung verpflichtet gewesen wäre, außer es bestand eine Ermessensreduzierung auf Null (BVerwG NVwZ 1987, 229). Hat sich die Hauptsache bereits vor Klageerhebung erledigt, ist eine Fortsetzungsfeststellungsklage mangels Feststellungsinteresse unzulässig, weil hier aus Gründen der Prozessökonomie das für die Schadensersatzklage zuständige Zivilgericht über alle entscheidungserheblichen Fragen in eigener Zuständigkeit entscheiden kann (BVerwG NJW 1989, 2486). Eine bereits vor der Erledigung des Verwaltungsakts eingetretene Bestandskraft entfällt nicht durch die Erledigung; sie steht der Erhebung einer Fortsetzungsfeststellungsklage entgegen (BayVGH NVwZ-RR 1992, 218).

 

 

II. Durchsetzung einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit

 Bei Fahrlässigkeit des Amtsträgers setzt ein Amtshaftungsanspruch gem. § 839 Absatz 1 Satz 2 BGB voraus, dass der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag. Im Amtshaftungsprozess obliegt es dem Kläger, das Fehlen einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit („negatives Tatbestandsmerkmal“) darzulegen und zu beweisen. Der Nachweis muss sich auch darauf erstrecken, dass eine früher vorhanden gewesene Ersatzmöglichkeit nicht schuldhaft versäumt worden ist. Versäumt es der Kläger zu behaupten, es bestehe keine anderweitige Ersatzmöglichkeit, so ist die Klage unschlüssig. Der Verletzte ist allerdings nicht in jedem Fall gezwungen, einen Dritten vor Erhebung der Amtshaftungsklage zu verklagen. Er muss gegen den Dritten gerichtlich nur dann vorgehen, wenn ihm dies zumutbar ist. Die Zumutbarkeit rechtlicher Schritte ist für jeden Einzelfall gesondert zu prüfen. Eine Inanspruchnahme anderweitigen Ersatzes ist nach der Recht­sprechung insbesondere dann unzumutbar, wenn

  • es sich um Ersatzansprüche handelt, die der Geschädigte nicht in absehbarer Zeit und nur mit zweifelhaftem Ergebnis durchsetzen kann; (vgl. BGH BB 1995, 1871, Palandt-Sprau, § 839 BGB, Rdn. 59)
  • die Sach- und Rechtslage unklar ist; (vgl. BGH NJW 1971, 2220, 2222)besonders geringe Chancen für eine alsbaldige Befriedigung bestehen, weil gerichtliche Geltendmachung und Vollstreckung im Ausland erfolgen müssen; (vgl. BGH NJW 1976, 2074)
  • der Geschädigte zwar gegen einen Dritten einen Zahlungstitel erlangen könnte, diesen aber wegen Vermögensverfalls des Dritten nicht vollstrecken kann (vgl. BGH DVBl. 1993, 602).

Der Verletzte muss also kein aussichtsloses Verfahren bis in die letzte Instanz führen, um im Amtshaftungsprozess anhand einer rechtskräftigen klageabweisenden Entscheidung nachzuweisen, dass eine anderweitige Ersatzmöglichkeit nicht gegeben ist (vgl. Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 87). Der Geschädigte ist grundsätzlich nicht verpflichtet, „bis zum bitteren Ende“ alle Ersatzmöglichkeiten gegenüber einer Vielzahl von Dritten auszunutzen (BGH NJW 1993, 1647, 1648).

Ein besonderer Prozess gegen den Erstverpflichteten ist auch dann nicht notwendig, wenn im Verhältnis des Erstverpflichteten zum Geschädigten § 254 BGB anzuwenden ist (RGRK-Kreft, § 839 BGB, Rdn. 510 m. w. N). Besteht eine anderweitige Ersatzmöglichkeit, die den Schaden vollständig abdeckt, so ist die Amtshaftungsklage unbegründet (BGH VersR 1978, 252). Kann der Kläger im Amtshaftungsprozess den Nachweis nicht führen, dass eine andere Ersatzmöglichkeit ausscheidet, so ist die Amtshaftungsklage als „zur Zeit unbegründet” abzuweisen (BGH NJW 1995, 2713, 2715 m. w. N.; OLG Hamm NVwZ 1995, 309).

Das Urteil hat damit nur eingeschränkte Rechtskraft: Stellt sich erst im Nachhinein heraus, dass eine andere Ersatzmöglichkeit nicht gegeben war, so steht die Rechtskraft des klageabweisenden Urteils der Erhebung einer erneuten Amtshaftungsklage nicht entgegen (RGRK-Kreft, § 839 BGB, Rdn. 511). Der Kläger kann also bei späterem Wegfall der anderweitigen Ersatzmöglichkeit erneut Amtshaftungsklage erheben, ohne daran durch die Rechtskraft des ersten Amtshaftungsurteils gehindert zu sein (BGHZ 37, 375, 377).

Erhebt der Geschädigte vor der Amtshaftungsklage zunächst Klage gegen einen ersatzpflichtigen Dritten i. S. v. § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB, so wird durch die Erhebung der Klage gegen den Dritten die Verjährung des gegen die öffentlich-rechtliche Körperschaft gerichteten Amtshaftungsanspruchs nicht gehemmt (vgl. BGH NJW 1990, 176, 178 f. zu § 209 BGB a. F.; dazu Rotermund/Krafft, Rdn. 100). Um die Verjährung des Amtshaftungsanspruchs zu hemmen, muss der Geschädigte der öffentlich-rechtlichen Körperschaft den Streit verkünden. Nach § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB wird durch die Streitverkündung in dem Prozess, von dessen Ausgang der (Amtshaftungs-)Anspruch abhängt, die Ver­jährung des Anspruchs gehemmt. Ob ein Amtshaftungsanspruch besteht, kann nach § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB davon abhängen, ob der Geschädigte von einem anderen Ersatz verlangen kann. Die Hemmungswirkung der Streitverkündung entfällt jedoch gemäß § 204 Abs. 2 BGB, wenn der Geschädigte nicht binnen sechs Monaten nach Beendigung des Prozesses gegen den Drittschädiger Amtshaftungsklage erhebt (vgl. Rotermund/Krafft, Rdn. 100).

Wird eine Amtshaftungsklage wegen desselben Schadens mit der Klage gegen einen Drittschädiger verbunden und ist die Frage, ob diesen eine Ersatzpflicht trifft, noch nicht entscheidungsreif, so darf die Amtshaftungsklage nicht mit dem Hinweis auf die noch nicht geklärte Ersatzpflicht des Drittschädigers durch Teilurteil abgewiesen werden, weil die Entscheidung hierüber für den durch Teilurteil entschiedenen Amtshaftungsanspruch präjudiziell ist (BGH NJW 1993, 784, 785).

 

 

III. Verwaltungsbehördliches Vorverfahren

Art. 34 Satz 3 GG steht landesrechtlichen Bestimmungen, die vor Erhebung der Amtshaftungsklage die Durchführung eines verwaltungsrechtlichen Abhilfeverfahrens vorsehen, nicht entgegen, da hierdurch der Rechts­weg zu den ordentlichen Gerichten nicht ausgeschlossen wird (RGRK-Kreft, § 839 BGB, Rdn. 574). Dementsprechend musste früher bei Ansprüchen gegen den Freistaat Bayern vor Klageerhebung erst das sog. Abhilfeverfahren gem. Art. 22 AGGVG i. V. m. §§ 16, 17 VertretungsVO durchgeführt werden. Die Durchführung dieses Verfahrens war Zulässigkeitsvoraussetzung für die Amtshaftungsklage. Die Vorschrift wurde jedoch mit Wirkung zum 01.08.1995 abgeschafft (vgl. Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Gerichtsverfassungsgesetzes und von Verfahrensgesetzen des Bundes vom 26. Juli 1995, BayGVBl. 17/1995, 392). Soweit noch in einem Teil der neuen Bundesländer der Staatshaftungsanspruch nach § 1 StHG-DDR gegeben ist, kann er neben dem Amtshaftungsanspruch aus § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG geltend gemacht werden (Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 588; Krohn, VersR 1991, 1085, 1091; Boujong in: Festschrift für Gelzer, S. 273, 276 f.; kritisch hierzu Maurer, § 29, Rdn. 46. ). Gem. §§ 5 und 6 StHG-DDR ist jedoch vor Klageerhebung ein zweistufiges Vorverfahren zu durchlaufen, zunächst das Antragsverfahren und daran anschließend das Beschwerdeverfahren: (Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S.589) Gem. § 5 Abs. 1 StHG-DDR ist der Ersatz des Schadens zunächst in einem Antragsverfahren bei dem staatlichen Organ oder der staatlichen Einrichtung zu beantragen, durch deren Mitarbeiter oder Beauftragte der Schaden verursacht wurde. Wird der Antrag bei einer unzuständigen Stelle eingebracht, ist er gem. § 5 Abs. 2 StHG-DDR unverzüglich an die zuständige Stelle weiterzuleiten. Der Antragsteller ist hiervon zu unterrichten. Nach § 5 Abs. 3 StHG-DDR trifft der „Leiter des nach Abs. 1 zuständigen Organs“ die Entscheidung über Grund und Höhe des Schadensersatzanspruchs. Welcher Amtsträger des zuständigen Hoheitsträgers diese Entscheidung trifft, ist nunmehr Gegenstand des jeweiligen Organisationsrechts (Ossenbühl, NJW 1991, 1201, 1208). Die Entscheidung über den Antrag soll innerhalb eines Monats getroffen und muss gem. § 5 Abs. 4 StHG-DDR begründet werden. Sie ist mit einer Rechtsmittelbelehrung zu versehen und dem Antragsteller zuzustellen. Auf einer zweiten Stufe des Vorverfahrens ist gegen die ablehnende Entscheidung im vorangehenden Antragsverfahren innerhalb eines Monats nach Zustellung oder Bekanntgabe des Bescheids gem. § 6 StHG-DDR die Beschwerde zulässig. Gem. § 6 Abs. 2 StHG-DDR ist die Beschwerde bei der Stelle einzulegen, deren Entscheidung angefochten wird. Falls diese der Beschwerde nicht abhilft, muss sie diese der übergeordneten Behörde innerhalb einer Woche zuleiten. Bei Zurückweisung der Beschwerde durch die übergeordnete Behörde kann Klage zum ordentlichen Gericht (Landgericht) erhoben werden.

 

IV. Schlichtungsverfahren

Nach § 15a EGZPO ist in bestimmten Fällen vor Durchführung eines Klageverfahrens ein Schlichtungsverfahren durchzuführen. Es handelt sich dabei um vermögensrechtliche Streitigkeiten vor dem Amtsgericht über Ansprüche, deren Gegenstand an Geld oder Geldeswert die Summe von 750 € nicht übersteigt, Streitigkeiten über Ansprüche aus dem Nachbarrecht, Streitigkeiten über Ansprüche wegen Verletzung der persönlichen Ehre, die nicht in Presse oder Rundfunk begangen worden sind, sowie um Streitigkeiten über Ansprüche nach Abschnitt 3 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes.

 

Ausgehend von diesem Katalog ist die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens bei Amtshaftungsprozessen nicht erforderlich. Amtshaftungsansprüche sind stets vor dem Landgericht geltend zu machen, sodass § 15a Abs. 1 Nr. 1 EGZPO nicht eingreift (Zöller-Gummer/Heßler, § 15a EGZPO, Rdn.4). Nachbarrechtliche Streitigkeiten im Sinn von § 15a Abs. 1 Nr. 2 EGZPO liegen ersichtlich nicht vor. Streitigkeiten über Ansprüche nach Abschnitt 3 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes betreffen zivilrechtliche Vertragsverhältnisse und stehen damit nicht in Konkurrenz zu Amtshaftungsansprüchen bei hoheitlicher Betätigung. Allenfalls Streitigkeiten wegen Ehrverletzungen durch einen Beamten im Rahmen einer hoheitlichen Tätigkeit könnten ein Schlichtungsverfahren notwendig machen. Auch hier besteht aber keine Konkurrenz zu Amtshaftungsansprüchen, da letztere nur gegen die Körperschaft bestehen, für die der Beamte tätig geworden ist, während § 15a Abs. 1 Nr. 3 EGZPO persönliche Klagen gegen den Beamten selbst betrifft.

 

B. Begrenzung des Kostenrisikos

Angesichts der nur schwer einzuschätzenden Erfolgsaussichten eines Amtshaftungsprozesses muss ferner geprüft werden, ob und welche Möglichkeiten zur Begrenzung des Kostenrisikos bestehen.

  

 

I. Rechtsschutzversicherung

 

Rechtsschutzversicherungen bieten die umfassendste Möglichkeit zur Verlagerung des Kostenrisikos auf einen Dritten. Teilweise schließen die Versicherungsunternehmen die Gewährung der Kostenübernahme für Amtshaftungsklagen aber aus und bieten dann keine Möglichkeit zur Begrenzung des Kostenrisikos. Im Übrigen darf keinesfalls übersehen werden, dass eine Deckungszusage vor Prozessbeginn einzuholen ist, da andernfalls die Versicherung ganz oder teilweise von ihrer Leistungspflicht befreit sein kann, vgl. § 17 ARB 2012. 

 

 

 

 

II. Beantragung von Prozesskostenhilfe

 

Durch die Gewährung von Prozesskostenhilfe stellt der Staat sicher, dass auch finanziell schlecht gestellte Personen effektiven Zugang zum staatlichen Gerichtssystem haben (Zöller-Philippi, § Vor § 114 ZPO, Rdn.2.). Prozesskostenhilfe muss schon dann gewährt werden, wenn die Klage hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint, § 114 ZPO. Ist die beabsichtigte Amtshaftungsklage unschlüssig, kann Prozesskostenhilfe nicht gewährt werden (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17. März 2016 – I-18 W 63/15, 18 W 63/15 –, juris.). Schwierige, bislang ungeklärte Rechts- und Tatfragen dürfen aber nicht im Prozesskostenverfahren entschieden werden, sondern müssen dem Hauptsacheverfahren überlassen bleiben; (BVerfG, Beschluss vom 13. Juli 2016 – 1 BvR 826/13 –, juris.) auch eine Beweisantizipation ist nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zulässig (BVerfG NJW-RR 2011, 1043 ff.; NJW 2007, 1060.).

 

Die Gewährung von Prozesskostenhilfe führt allerdings nur ganz ausnahmsweise zu einer echten Verlagerung des Prozesskostenrisikos auf die öffentliche Hand. Im Regelfall setzt das Gericht nämlich eine Ratenzahlung fest, durch die die Prozesskosten letztlich abzuzahlen sind; lediglich bei einem monatlichen einzusetzenden Einkommen von unter 15 € entfällt die Ratenzahlungspflicht. Im Übrigen sind im Fall des Unterliegens die Anwaltskosten des Gegners in jedem Fall in vollem Umfang zu bezahlen, § 123 ZPO. Auch die Kosten des PKH-Verfahrens müssen selbst getragen werden. 

 

 

III. Vereinbarung eines Erfolgshonorars

 

Seit 01.07.2008 ist die Vereinbarung eines Erfolgshonorars mit dem eigenen Rechtsanwalt gemäß § 49b Abs. 2 Satz 1 BRAO i.V.m. § 4a RVG im Einzelfall zulässig. Würde der Auftraggeber aufgrund seiner wirtschaftlichen Verhältnisse bei verständiger Betrachtung ohne die Vereinbarung eines Erfolgshonorars von der gerichtlichen Rechtsverfolgung abgehalten, darf für den Fall des Misserfolgs vereinbart werden, dass keine oder eine geringere als die gesetzliche Vergütung zu zahlen ist. Zugleich muss aber für den Erfolgsfall ein angemessener Zuschlag auf die gesetzliche Vergütung vereinbart werden. Die Vereinbarung bedarf der Textform und muss umfangreiche Angaben gemäß §§ 4, 4a RVG enthalten. Entspricht die Vereinbarung nicht diesen Anforderungen, ist nur die gesetzliche Vergütung geschuldet.

 

Das Erfolgshonorar vermag allerdings nur zu einer partiellen Kostenverlagerung hinsichtlich der Kosten des eigenen Rechtsanwalts zu führen. Eine Vereinbarung, durch die sich der Rechtsanwalt über das Erfolgshonorar hinaus verpflichtet, im Fall des Unterliegens Gerichtskosten, Verwaltungskosten oder Kosten anderer Beteiligter, insbesondere des gegnerischen Anwalts, zu tragen, ist nämlich in jedem Fall unzulässig. 

 

 

IV. Beteiligung eines Prozessfinanzierers

 

 

Die größten Chancen zur Verlagerung des gesamten Prozesskostenrisikos bietet die Beteiligung eines Prozessfinanzierers; einige Unternehmen benennen die Finanzierung von Amtshaftungsklagen explizit als möglichen Prozessgegenstand.

 

Bei der Prozessfinanzierung übernimmt der Prozessfinanzierer sämtliche notwendigen Kosten der außergerichtlichen oder gerichtlichen Anspruchsverfolgung, d.h. die Gerichtskosten, die Kosten des eigenen und des gegnerischen Anwalts sowie sämtliche Zeugen- und Sachverständigenkosten, falls die Klage erfolglos bleibt.

 

Voraussetzung ist im Regelfall ein Mindeststreitwert (mindestens 10.000 €, bei großen Prozessfinanzierern teilweise bis zu 100.000 €); neuere Unternehmen am Markt verzichten mitunter aber auch auf einen solchen Mindeststreitwert. Voraussetzung ist ferner, dass der Anspruch auf eine Geldleistung gerichtet ist, was bei Amtshaftungsansprüchen aber der Fall ist.

 

Als Gegenleistung erhält der Prozessfinanzierer im Erfolgsfall einen Teil des zuerkannten Betrags entsprechend der vereinbarten Beteiligungsquote. Deren Höhe richtet sich regelmäßig nach dem Streitwert und dem Umfang des übernommenen Risikos; typischerweise ist von mindestens 10 % auszugehen.

 

Verfahrensmäßig ist zunächst beim Prozessfinanzierer ein Antrag auf Prozesskostenfinanzierung zu stellen. Dabei müssen alle zur Anspruchsprüfung notwendigen Angaben gemacht und alle im Zusammenhang mit dem Verfahren stehenden Unterlagen vorgelegt werden. Die Vertretung durch einen Rechtsanwalt ist nicht erforderlich, allerdings zweckmäßig, da eine strukturierte, sämtliche Anspruchsvoraussetzungen erfassende Darstellung einschließlich Darstellung der Beweissituation regelmäßig nur durch einen prozesserfahrenen Anwalt geleistet werden kann. Nach § 4 Abs. 1 RVG kann dabei als Honorar für den Anwalt eine niedrigere als die gesetzliche Vergütung vereinbart werden; sie muss aber in einem angemessenen Verhältnis zu Leistung, Verantwortung und Haftungsrisiko stehen.

 

Wenn aus Sicht des Prozessfinanzierers hinreichende Erfolgsaussichten bestehen, wird die Kostenübernahme zugesagt und ein Prozesskostenfinanzierungsvertrag abgeschlossen. Die Zusage erstreckt sich allerdings regelmäßig nur auf eine Instanz.

 

Wurde mit dem eigenen Anwalt eine Vergütungsvereinbarung auf Stundenhonorarbasis getroffen, die über die gesetzlichen Gebühren hinausgeht, muss eine entsprechende Kostenübernahme ausdrücklich im Prozesskostenfinanzierungsvertrag vereinbart werden. Die Vereinbarung eines Erfolgshonorars sollte nach einer Finanzierungszusage gekündigt werden, da für diese kein rechtfertigender Grund mehr besteht. 

 

 

V. Erhebung einer Teilklage

 

Schließlich vermag auch die Erhebung einer Teilklage zu einer Begrenzung des Kostenrisikos zu führen, da sich die Gerichtskosten allein nach dem Wert des Streitgegenstandes richten. Die Teilklage birgt aber das Risiko, dass hinsichtlich des nicht geltend gemachten Betrags Verjährung eintritt oder im Fall einer Klageabweisung das Urteil hinsichtlich des gesamten Betrags – also auch hinsichtlich des gerade nicht geltend gemachten Teils – in Rechtskraft erwächst. Die Erhebung einer Teilklage ist deshalb mit erheblichen Risiken behaftet, zumal ein stattgebendes Teilurteil auch keine Bindungswirkung hinsichtlich des nicht geltend gemachten Restbetrages entfaltet.

 

C. Sicherung oder Verbesserung der Beweissituation

 

Bei der Vorbereitung des Amtshaftungsprozesses ist ferner eine kritische Überprüfung der Beweissituation erforderlich. Zeigt sich, dass im Laufe des Verfahrens Beweismittel wegfallen könnten oder die vorhandenen Beweismittel ungenügend sind, ist an die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens oder an die Möglichkeiten zur Erlangung von Zeugen zu denken. 

 

I. Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens

 

Besteht die Gefahr eines Beweisverlustes, bis es zur Beweisaufnahme im Rahmen der mündlichen Verhandlung des Amtshaftungsprozesses kommt, ist die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens nach §§ 485 ff. ZPO in Betracht zu ziehen. Auch wenn ein Rechtsstreit noch nicht anhängig ist, kann eine Partei die schriftliche Begutachtung durch einen Sachverständigen beantragen, wenn sie ein rechtliches Interesse daran hat, dass der Zustand einer Person oder der Zustand oder Wert einer Sache, die Ursache eines Personenschadens, Sachschadens oder Sachmangels oder der Aufwand für die Beseitigung eines Personenschadens, Sachschadens oder Sachmangels festgestellt wird. Ein rechtliches Interesse ist dabei schon dann anzunehmen, wenn die Feststellung der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen kann.

 

Ein selbständiges Beweisverfahren ist also insbesondere dann durchzuführen, wenn Fragen des Schadens oder der Kausalität streitig sind und ein weiteres Zuwarten bei der Erstellung eines Sachverständigengutachtens die Feststellung der notwendigen Tatsachen erschweren oder sogar unmöglich machen würde. Insbesondere bei Verkehrssicherungspflichtverletzungen ist deshalb die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens zweckmäßig. 

 

 

II. Zeugenschaffung

 

Ist damit zu rechnen, dass die anspruchsbegründenden Tatsachen mit den aktuell zur Verfügung stehenden Beweismitteln im Bestreitensfall nicht hinreichend nachgewiesen werden können, sind die grundsätzlich legitimen Möglichkeiten der „Zeugenschaffung“ wahrzunehmen. In Betracht kommen vor allem die Forderungsabtretung und die Auswechselung des vertretungsberechtigten Organs einer Gesellschaft, da dadurch die nur eingeschränkt zulässige Parteivernehmung in eine Zeugenvernehmung „umgewandelt“ werden kann. Geht es also im Amtshaftungsprozess etwa um eine fehlerhafte Auskunft, die nur gegenüber dem potentiellen Kläger auf mündlichem Weg erteilt wurde, ist eine Anspruchsabtretung zur Erlangung eines Zeugen nahezu unverzichtbar.

 

D. Musterprozesse

 

Anders als bei Klagen wegen unzutreffender öffentlicher Kapitalmarktinformationen nach dem KapMuG besteht bei Amtshaftungsklagen keine gesetzlich geregelte Möglichkeit zur Durchführung eines Musterverfahrens. Auch wenn also von einer Amtspflichtverletzung zahlreiche Personen betroffen sind, wie etwa bei der fehlerhaften Umsetzung einer EU-Richtlinie, muss jeder Einzelne Klage erheben.

 

Die Wirkungen eines Musterprozesses könnten im Übrigen nur über eine spezielle Vereinbarung zwischen den Beteiligten erzielt werden. Dazu ist die Öffentliche Hand aber regelmäßig nicht bereit. Bei Amtshaftungsklagen besteht daher bislang keine Möglichkeit zur Durchführung eines Musterprozesses.

 

E. Beschleunigte Verfahren

 

Statt der Durchführung eines herkömmlichen Klageverfahrens kann in bestimmten Konstellationen die Durchführung eines beschleunigten Verfahrens in Erwägung zu ziehen sein. In Betracht kommen hierfür das Mahnverfahren und der Urkundenprozess.  

 

I. Mahnverfahren

 

Das Mahnverfahren bietet eine schnelle und kostengünstige Möglichkeit zur Titulierung eines Zahlungsanspruchs. Es dürfte jedoch praktisch ausgeschlossen sein, dass die Öffentliche Hand auf einen Widerspruch verzichtet und klaglos den im Mahnbescheid ausgewiesenen, allein auf dem Antrag des Geschädigten beruhenden Betrag ausbezahlt. Im Fall eines Widerspruchs kann aber auch kein Vollstreckungsbescheid erlassen werden. Ein vollstreckbarer Titel lässt sich daher in aller Regel im Mahnverfahren nicht erwirken.

 

Das Mahnverfahren ist aber gleichwohl in Amtshaftungssachen sinnvoll, wenn die Verjährung der Ansprüche droht und eine schlüssige Klage in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht mehr erstellt werden kann. Dann sollte ein Mahnbescheid beantragt werden, weil mit Zustellung des Mahnbescheids die Verjährung des Anspruchs gehemmt wird, § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB.

 

 

II. Urkundenprozess

 

Auch der Urkundenprozess dient zur schnellen Titulierung eines Anspruchs. Kennzeichen des Urkundenprozesses ist es, dass als Beweismittel nur Urkunden und Parteivernehmungen zugelassen sind, §§ 592, 595 Abs. 2 ZPO. Urkundenprozess spielen deshalb in Amtshaftungssachen nur eine verhältnismäßig geringe Rolle, da die Beschränkung der Beweismittel gerade den Beweis des Verschuldens und des Schadens sehr schwierig macht. Gleichwohl ist ihre Durchführung insbesondere dann in Betracht zu ziehen, wenn aufgrund eines vorangegangenen verwaltungsgerichtlichen Urteils (ausnahmsweise) alle anspruchsbegründenden Tatsachen im Wege des Urkundenbeweises nachgewiesen werden können.