Gem. § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG ist ein Amtshaftungsanspruch gegeben, wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:
Ob ein bestimmtes Verhalten als Ausübung eines öffentlichen Amtes durch einen Amtsträger anzusehen ist, bestimmt sich nach der ständigen Rechtsprechung des BGH grundsätzlich danach, ob die eigentliche Zielsetzung des Tätigwerdens des Amtsträgers hoheitlicher Tätigkeit zuzurechnen ist und ob, wenn dies der Fall ist, zwischen dieser Zielsetzung und der schädigenden Handlung ein so enger äußerer und innerer Zusammenhang besteht, dass die Handlung ebenfalls als dem Bereich hoheitlicher Betätigung zugehörig angesehen werden muss.
Prüfungsschema |
(1) ein Amtsträger muss |
(2) ein öffentliches Amt |
(3) wahrgenommen haben. |
nicht erforderlich, dass es sich bei dem Amtswalter um einen Beamten im statusrechtlichen Sinne handelt.
Entscheidend ist allein, ob der Amtswalter mit einem öffentlichen Amt, also hoheitlichen Aufgaben betraut wurde und er die Amtspflichtverletzung in Ausübung dieses öffentlichen Amtes begangen hat. Man spricht insoweit auch vom „Beamten im haftungsrechtlichen Sinne“.
Staat |
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Bundesrepublik Deutschland |
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die einzelnen Länder |
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andere juristische Personen des Öffentlichen Rechts |
Gemeinden und Landkreise (OLG Saarbrücken FamRZ 2012, 158 (als Träger eines Jugendamtes) |
die kassenärztlichen Vereinigungen (BGH NJW-RR 1991, 475; BGH, Urt. v. 12.1.2017 – III ZR 312/16) Rettungszweckverbände (OLG Dresden, Urteil vom 14.02.2017 – Aktenzeichen 4 U 1256/16) Berufsgenossenschaften (BGH, Urteil vom 20.12.2016 – Az. VI ZR 395/15; BGH, Urteil vom 29.11.2016 - VI ZR 208/15; OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 15.12.2016 – Az. 8 U 129/16) |
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die AOK als Trägerin der gesetzlichen Krankenversicherung (OLG Saarbrücken NJW-RR 2001, 813; Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 02. Juli 2015 – 4 U 89/14 –, juris) |
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juristische Person des Privatrechts |
Nicht möglich (BGHZ 49, 108, 115 f.; BGH NVwZ 1994, 823; OLG München, Urt. v. 29.03.2012, Az. 1 U 4444/11) |
Beamte im haftungsrechtlichen Sinn |
Es haften aber haften nicht diese direkt – als natürliche oder juristische Personen des Privatrechts –, sondern die dahinter stehende Körperschaft des Öffentlichen Rechts. |
Beamte im haftungsrechtlichen Sinn |
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Personen, die bei einer juristischen Person des Öffentlichen Rechts in einem beamtenrechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen: |
Beamte |
Personen, die bei einer juristischen Person des Öffentlichen Rechts in einem sonstigen öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stehen |
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Personen, die in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis zu einem öffentlich-rechtlichen Dienstherren stehen |
Beschäftigte im öffentlichen Dienst; (vgl. BGHZ 2, 350, 354; Bamberger/Roth-Reinert, § 839 BGB, Rdn. 5) |
Personen, die in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis stehen |
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Personen, die in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis zu einer öffentlich-rechtlich korporierten Religionsgemeinschaft stehen |
z.B. Sektenbeauftragter; (BGH NJW 2003, 1308) |
Personen, die in einem Dienstverhältnis zu einer sonstigen juristischen Person des Öffentlichen Rechts stehen |
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Beliehene |
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Verwaltungshelfer |
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Vom Hoheitsträger beauftragte selbständige Privatunternehmer |
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Außerhalb der organisierten Staatlichkeit stehende Privatpersonen können „Beamte im haftungsrechtlichen Sinne“ sein, sofern ihnen die Wahrnehmung hoheitlicher Funktionen anvertraut worden ist (BGH VersR 2006, 698; Bamberger/Roth-Reinert, § 839 BGB, Rdn. 7).
Hierzu zählen in erster Linie die sog. „Beliehenen“ (BGH NJW 2005, 286). Dies sind natürliche oder juristische Personen des Privatrechts, denen durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes durch Verwaltungsakt oder durch öffentlich-rechtlichen Vertrag hoheitliche Kompetenzen zur Wahrnehmung im eigenen Namen übertragen worden sind. Beliehene üben die ihnen übertragenen hoheitlichen Befugnisse im eigenen Namen als Behörde aus (Stelkens/Bonk/Sachs, § 1 VwVfG, Rdn. 234).
Beispiele:
Keine Beliehenen sind dagegen die Träger eines privaten Amtes, das lediglich durch gesetzliche Regelungen näher ausgestaltet ist, wie z.B. der Testamentsvollstrecker, der Nachlass- oder der Insolvenzverwalter (Palandt-Sprau, § 839 BGB, Rdn. 23).
Hierher gehören weiter die sog. „unselbständigen Verwaltungshelfer“. Diese verfügen zwar im Unterschied zu den Beliehenen über keine hoheitlichen Kompetenzen. Ihr Verhalten wird dem Hoheitsträger aber deshalb zugerechnet, weil sie eine lediglich untergeordnete Hilfstätigkeit wahrnehmen und den Weisungen der Verwaltung so weitgehend unterworfen sind, dass sie gleich einem Werkzeug der öffentlichen Verwaltung bei der Erfüllung hoheitlicher Aufgaben tätig werden (sog. „Werkzeugtheorie“) (vgl. BGHZ 48, 98, 103; OLG Hamm BauR 2011, 1337).Handelt es sich bei dem Verwaltungshelfer um eine juristische Person des Privatrechts, ist gleichwohl nicht die Gesellschaft, sondern der einzelne Mitarbeiter Amtsträger, da eine juristische Person des Privatrechts nicht als solche Beamter sein kann (BGH NVwZ 2006, 966).
Zu den Verwaltungshelfern zählen etwa
Ein öffentliches Amt wird wahrgenommen, wenn das Verhalten der handelnden Person funktionell in den hoheitlichen Tätigkeitsbereich fällt.
Zum hoheitlichen Tätigkeitsbereich zählen
Nicht zum hoheitlichen Tätigkeitsbereich gehören
Die Zuordnung ist zumeist einfach zu treffen, wenn die zu beurteilende Maßnahme eine Rechtshandlung darstellt. Maßgebliches Abgrenzungskriterium ist dann die Rechtsform des Handelns: (Vgl. BGH NJW 2000, 2810; MüKo-Papier, § 839 BGB, Rdn. 144 f.; kritisch Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 29 f.; ders., NJW 2000, 2945, 2948, der auf Inhalt und Zielsetzung hoheitlichen Handelns abstellt).
Schwieriger ist dagegen die Beurteilung eines tatsächlichen Handelns (sog. „Realakte“), da das nach außen erkennbare Kriterium der Rechtsform fehlt. Hier ist auf den Aufgabencharakter und den Funktionszusammenhang mit der zu erfüllenden hoheitlichen Aufgabe abzustellen.
Beispiel:
Die Polizisten A und B fahren mit dem Streifenwagen zur Tankstelle des T. Erfolgt die Anfahrt deshalb, weil das Fahrzeug aufgetankt werden soll, so ist Zielsetzung der Fahrt ein fiskalisches Hilfsgeschäft, das dem Zivilrecht zuzuordnen ist. Dass A und B Beamte im statusrechtlichen Sinne sind und einen Dienstwagen fahren, ist für die Zuordnung unbeachtlich, da es auf den Zweck (die Zielsetzung) der Fahrt ankommt. Erfolgt die Anfahrt aufgrund eines Notrufes von T wegen eines Überfalls, so ist Zielsetzung der Fahrt die Erfüllung einer hoheitlichen Aufgabe (Gefahrenabwehr, Strafverfolgung). Die Anfahrt erfolgt dann zur Wahrnehmung dieser hoheitlichen Aufgabe und weist deshalb einen hinreichend engen Zusammenhang zum hoheitlichen Bereich auf.
Nach Art. 34 Satz 1 GG muss der Amtsträger „in Wahrnehmung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes“ handeln. Ein Amtshaftungsanspruch scheidet demnach aus, wenn der Schaden nur „bei Gelegenheit“ der Amtsausübung zugefügt wurde (OLG Rostock NJOZ 2008, 4745; Bamberger/Roth-Reinert, § 839 BGB, Rdn. 32; Palandt-Sprau, § 839 BGB, Rdn. 17).
Beispiel: wenn ein Polizeibeamter beim Einsatz von seiner Schusswaffe nicht aufgrund einer bestehenden Gefahr, sondern aus rein persönlichen Motiven Gebrauch macht (vgl. BGHZ 11, 181, 185).
Die Amtspflichten ergeben sich aus den Normen und allgemeinen Rechtsgrundsätzen, die den Aufgaben- und Pflichtenkreis des Amtswalters regeln.
Amtspflichten |
Amtspflicht zum rechtmäßigen Handeln |
Amtspflicht zum zuständigkeitsgemäßen Handeln |
Amtspflicht zur Beachtung des Verfahrensrechts |
Amtspflicht zur fehlerfreien Ermessensausübung |
Amtspflicht zum verhältnismäßigen Handeln |
Amtspflicht zur raschen Sachentscheidung |
Amtspflicht zur Erteilung von richtigen Auskünften, zur Beratung, zur richtigen öffentlichen Bekanntmachung und zur Einhaltung von Zusagen |
Amtspflicht zu konsequentem Verhalten |
Amtspflicht zur Rückgängigmachung von als unzulässig erkannten Maßnahmen |
b) Amtspflicht zum zuständigkeitsgemäßen Handeln
Grundsätzlich kann auch eine Überschreitung der Zuständigkeitsgrenzen eine Amtspflichtverletzung begründen (BGH NJW 1992, 3229.). Der Zweck der Zuständigkeitsbestimmungen beschränkt sich nicht nur auf ein bloß formales Element, vielmehr soll auch eine sachlich richtige Entscheidung durch den mit der erforderlichen Sachkompetenz ausgestatteten Hoheitsträger gewährleistet werden.Sofern es jedoch um den Erlass eines Verwaltungsakts geht, ist § 46 VwVfG zu beachten. Danach ist die örtliche Unzuständigkeit der Erlassbehörde ohne Relevanz, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat.
c) Amtspflicht zur Beachtung des Verfahrensrechts
Der Amtswalter ist verpflichtet, die verfahrensrechtlichen Vorschriften zu beachten und richtig anzuwenden (Brandenburgisches OLG, Urt. v. 16.02.2010, Az. 2 U 5/08.). Für Verfahrensfehler beim Erlass eines Verwaltungsakts sind allerdings die Heilungsklausel des § 45 VwVfG und die Unbeachtlichkeitsklausel des § 46 VwVfG zu beachten (MüKo-Papier, § 839 BGB, Rdn. 204.).
Ein besonders wichtiger Verfahrensgrundsatz, dessen Missachtung häufig zu einer Amtspflichtverletzung führt, ist die Pflicht zur sachgemäßen Sachverhaltsermittlung: Aufgrund des Amtsermittlungsgrundsatzes im Verwaltungsverfahren (vgl. § 24 VwVfG) hat die Behörde im Rahmen des Zumutbaren den Sachverhalt so umfassend zu erforschen, dass die Beurteilungsgrundlage nicht in wesentlichen Punkten zum Nachteil des Betroffenen unvollständig bleibt (BGH VersR 2010, 346; BGH NJW 1989, 99; Kellner, DVBl 2010, 799.). Sofern es dem Amtsträger an der für die Sachverhaltsermittlung notwendigen Sachkunde fehlt (etwa bei schwierigen technischen Sachverhalten), hat er sachverständigen Rat einzuholen (BGH NVwZ 1988, 283. ). Die Pflicht zur sachgemäßen Sachverhaltsermittlung wird von der Unbeachtlichkeitsklausel des § 46 VwVfG nicht erfasst (Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 47. ).
Anträge sind ordnungsgemäß aufzunehmen (OLG Karsruhe AgrarR 2004, 415.).
d) Amtspflicht zur fehlerfreien Ermessensausübung
In seiner neueren Rechtsprechung hat der BGH nunmehr den Maßstab des § 114 VwGO übernommen (Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 49.). Demnach liegt eine Amtspflichtverletzung vor, wenn die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten wurden oder wenn von dem Ermessen nicht in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist (BGHZ 74, 144; BGHZ 75, 120, 124.). Ein erheblicher Ermessensfehler liegt in den Fällen der Ermessensüberschreitung, des Ermessensnichtgebrauchs und des Ermessensfehlgebrauchs vor (Siehe zu den Ermessensfehlern im einzelnen Maurer, § 7, Rdn. 19 ff.).
Wenn andere pflichtgemäße Entscheidungen möglich gewesen wären, ist eine Amtspflichtverletzung zu verneinen (vgl. Palandt-Sprau, § 839 BGB, Rdn. 34.). Liegt dagegen eine Ermessensreduzierung auf Null vor und ist deshalb nur eine einzige ermessensfehlerfreie Entscheidung möglich, so ist jede abweichende Entscheidung amtspflichtwidrig (Palandt-Sprau, § 839 BGB, Rdn. 34.).
f) Amtspflicht zur raschen Sachentscheidung
Den Behörden obliegt die Amtspflicht, Anträge mit der gebotenen Beschleunigung zu bearbeiten und nach Abschluss der Prüfung unverzüglich zu bescheiden (BGHZ 30, 19, 26 f.; BGH DVBl 2001, 1619; BGH NVwZ 2002, 124; OLG Köln, Urteil vom 11. Dezember 2014 – 7 U 23/14 –, juris; ausführlich Staudinger-Wurm, § 839 BGB, Rdn. 130 ff.; Schlick, NJW 2008, 127, 129).
Ein Zeitraum von einem Jahr und acht Monaten für die Erledigung eines Antrags auf Eintragung einer Auflassungsvormerkung im Grundbuch ist aber in jedem Fall deutlich zu lang (BGH NJW 2007, 830.).
Die Amtspflicht zur raschen Entscheidung kann sich auch auf tatsächliches Handeln beziehen. Das gilt etwa für die Sicherheitskontrollen an Flughäfen (OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 15.01.2017 - Aktenzeichen 1 U 139/15).
g) Amtspflicht zur Erteilung von richtigen Auskünften, zur Beratung, zur richtigen öffentlichen Bekanntmachung und zur Einhaltung von Zusagen
Im Regelfall wird die Behörde Auskünfte (zur Auskunft in Form eines Faxsendesignals OLG Hamm, Urt. v. 05.05.2010, Az. 11 U 202/09) und Belehrungen nur auf eine Anfrage des Bürgers hin geben. Auskünfte müssen richtig, klar, unmissverständlich und vollständig (OLG Saarbrücken NJOZ 2006, 2496) sein (BGH, Urteil vom 26.04.2018 - Aktenzeichen III ZR 367/16, BGH, Urt. v. 09.10.2008, BeckRS 2008 22021; OLG Düsseldorf, Urteil vom 16.11.2016 –18 U 20/15, I-18 U 20/15; OLG Hamm, Urt. v. 08.07.2009, Az. 11 U 9/09 (zu einer unrichtigen Melderegisterauskunft); Thüringer OLG, Urt. v. 01.07.2009, Az. 4 U 588/08 (Falschauskunft hinsichtlich der Denkmaleigenschaft eines Gebäudes); Bamberger/Roth-Reinert, § 839 BGB, Rdn. 38 m. w. N.; Rohlfing, NdSVBl 2008, 57 ff.). Entscheidend ist der Empfängerhorizont (Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 50 m. w. N.).I
Auch in einer unzutreffenden öffentlichen Bekanntmachung kann eine Amtspflichtverletzung liegen. Entsprechend den für amtliche Auskünfte geltenden Maßstäben nimmt die Rechtsprechung im Wege eines erst-recht-Schlusses an, dass diese richtig, klar, unmissverständlich und vollständig zu sein hat (Brandenburgisches OLG, Urt. v. 18.05.2010, Az. 2 U 18/09.).
Es reicht zur Begründung des Amtshaftungsanspruchs nicht aus, wenn jemand durch die Amtspflichtverletzung nachteilig betroffen worden ist. Der Geschädigte muss darüber hinaus geltend machen können, dass die verletzte Amtspflicht gerade auch zu seinem Schutz diente, er also vom Schutzbereich der Amtspflicht erfasst war.
Den Gegensatz zu solchen Amtspflichten mit Drittbezogenheit bilden Amtspflichten, die allein die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung bezwecken oder die dem Interesse des Staates an der ordnungsgemäßen Amtsführung der Beamten dienen (vgl. Palandt-Sprau, § 839 BGB, Rdn. 44).
„Ob der durch die Amtspflichtverletzung Geschädigte „Dritter“ i. S. d. § 839 BGB ist, bestimmt sich danach, ob die Amtspflicht – wenn auch nicht notwendig allein, so doch auch – den Zweck hat, gerade sein Interesse wahrzunehmen. Nur wenn sich aus den die Amtspflicht begründenden und sie umreißenden Bestimmungen sowie aus der besonderen Natur des Amtsgeschäfts ergibt, dass der Geschädigte zu dem Personenkreis zählt, dessen Belange nach dem Zweck und der rechtlichen Bestimmung des Amtsgeschäfts geschützt und gefördert werden sollen, besteht ihm gegenüber bei schuldhafter Pflichtverletzung eine Schadensersatzpflicht.
Hingegen ist anderen Personen gegenüber, selbst wenn die Amtspflichtverletzung sich für sie mehr oder weniger nachteilig ausgewirkt hat, eine Ersatzpflicht nicht begründet. Es muss mithin eine besondere Beziehung zwischen der verletzten Amtspflicht und dem geschädigten ‚Dritten‘ bestehen.
Dabei muss eine Person, der gegenüber die Amtspflicht zu erfüllen ist, nicht in allen ihren Belangen als Dritter anzusehen sein. Vielmehr ist jeweils zu prüfen, ob gerade das im Einzelfall berührte Interesse nach dem Zweck und der rechtlichen Bestimmung des Amtsgeschäfts geschützt werden soll. Es kommt danach auf den Schutzzweck der Amtspflicht an.“
b) „Dritter“
„Dritter“ ist jeder, dessen Interessen die Amtspflicht schützen soll und in dessen Rechtskreis durch die Amtspflichtverletzung eingegriffen wird, auch wenn er nur mittelbar oder unbeabsichtigt betroffen ist.
Dritter kann grundsätzlich auch sein, wer selbst im öffentlichen Dienst tätig ist, also beispielsweise ein Beamter (BGHZ 34, 378; BGH VersR 1983, 1031; Palandt-Sprau, § 839 BGB, Rdn. 47).
Auch eine juristische Person des öffentlichen Rechts kann ausnahmsweise „Dritter“ im Sinne des Amtshaftungsrechts sein (BGH, Urteil vom 07. November 2013 – III ZR 263/12 –, BGHZ 198, 374-381 (Bund im Verhältnis zu einem Land); BGH VersR 2008, 252; BGHZ 116, 315; Hk-BGB-Staudinger, § 839 BGB, Rdn. 15). Art. 34 GG ist – anders als die Grundrechte – prinzipiell auch zugunsten von Hoheitsträgern anwendbar (MüKo-Papier, § 839 BGB, Rdn. 272; Staudinger-Wurm, § 839 BGB, Rdn. 187 ff. m. w. N.; a. A. Stelkens, DVBl. 2003, 22 ff). Voraussetzung ist jedoch, dass die betroffene juristische Person der handelnden Behörde in einer Weise gegenübersteht, wie sie für das Verhältnis zwischen Hoheitsträger und Staatsbürger charakteristisch ist (vgl. BGH NJW 1973, 1461; BGH NJW 2001, 2799, 2801; Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 72 m. w. N).
Bei einem Verwaltungsverfahren ist Dritter grundsätzlich jeder, der formell Beteiligter ist; (BGH NJW 2005, 1865) ein materiell Beteiligter ist dagegen nur ganz ausnahmsweise Dritter im Sinn von § 839 Abs. 1 BGB (BGH NVwZ-RR 2008, 670).
c) Reichweite der Schutzwirkung einer drittbezogenen Amtspflicht
Durch die Feststellung, dass die Amtspflicht drittschützend ist, wird nur der geschützte Personenkreis, nicht jedoch die konkrete Reichweite der Schutzwirkung der Amtspflicht festgestellt. Der Dritte ist nicht in jeder Hinsicht geschützt, sondern nur soweit die Schutzwirkung der verletzten Amtspflicht reicht (BGH NJW-RR 2002, 307 m.w.N.; Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 71. ). Es ist daher stets zu prüfen, ob das konkret betroffene Interesse des Dritten auch von der Schutzwirkung der Amtspflicht erfasst wird.
OLG Koblenz NJW 2003, 297: Die Amtspflicht des anerkannten Kraftfahrzeugprüfers (des TÜV) zur sachgemäßen Durchführung einer HU besteht gegenüber jedem potentiellen Opfer des Straßenverkehrs, das aufgrund eines nicht erkannten Mangels des Kfz bei einem Unfall geschädigt wird. Der Prüfer handelt pflichtwidrig, wenn er einen die Verkehrssicherheit aufhebenden Mangel übersieht, den Weiterbetrieb des Fahrzeugs deshalb nicht unterbindet und es daher aufgrund des Mangels zu einem Verkehrsunfall kommt. Die Amtspflicht besteht aber nicht gegenüber dem zukünftigen Erwerber hinsichtlich der Vermeidung reiner Vermögensschäden (BGH NJW 2004, 3484; OLG Koblenz, Urteil vom 30. Juli 2015 – 1 U 232/15 –, juris).
Legislatives und normatives Unrecht
Beim Erlass eines formellen Gesetzes hat der Gesetzgeber die Amtspflicht, rechtmäßig zu handeln und insbesondere die Grundrechte als höherrangiges Recht zu beachten. Die Parlamentsabgeordneten üben im Rahmen der Gesetzgebung ein öffentliches Amt aus und sind daher Beamte im haftungsrechtlichen Sinne (vgl. Art. 48 Abs. 2 Satz 1 GG: „das Amt des Abgeordneten“) (vgl. OLG Hamburg, DÖV 1971, 238; Detterbeck/Windthorst/Sproll, § 9, Rdn. 12; Häde, BayVBl. 1992, 449 m. w. N.; offengelassen in BGHZ 56, 40, 44. ). Die Legislativtätigkeit beim Erlass formeller Gesetze dient jedoch nach ständiger Rechtsprechung des BGH ausschließlich dem Allgemeininteresse und beinhaltet deshalb grundsätzlich keine drittgerichtete Amtspflicht des Staates dem Einzelnen gegenüber
Anders kann die Frage der Drittbezogenheit dagegen beim Erlass von verfassungswidrigen Maßnahme- oder Einzelfallgesetzen zu beurteilen sein Verhinderung von Waldschäden beispielsweise hat der BGH eine solche evidente Schutzpflichtverletzung verneint (BGHZ 102, 350, 366 ff.).
Die Feststellung der konkret vorliegenden Schuldform ist im Amtshaftungsprozess aus zwei Gründen relevant:
Fahrlässigkeit
Eine Amtspflichtverletzung ist fahrlässig, wenn der Amtsträger die im amtlichen Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hat (Bamberger/Roth-Reinert, § 839 BGB, Rdn. 79). Bei der Beurteilung der Fahrlässigkeit ist nach der Rechtsprechung des BGH ein objektiv-abstrakter Sorgfaltsmaßstab anzulegen: Es kommt auf die Kenntnisse und Einsichten an, die für die Führung des übernommenen Amtes im Durchschnitt erforderlich sind, nicht aber auf die Fähigkeiten, über die der Beamte tatsächlich verfügt. Jeder Beamte muss die zur Führung seines Amtes notwendigen Rechts- und Verwaltungskenntnisse besitzen oder sich diese verschaffen (st. Rspr., BGH, Urteil vom 04. Dezember 2013 – XII ZR 157/12 –, juris; BGH NJW 1989, 976, 978; BGH NJW 1986, 2829, 2831.).
Auch bei einem Handeln zur Gefahrenabwehr, z.B. eines Feuerwehrbeamten, ist das Verschulden nicht entsprechend § 680 BGB auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt (BGH, Urteil vom 14.6.2018 – III ZR 54/17). Bei pflichtwidrig unterlassenen Erste-Hilfe-Maßnahmen von Sportlehrern bei einem Unglücksfall während des Sportunterrichts beschränkt sich die Haftung ebenfalls nicht auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit, da das Haftungsprivileg für Nothelfer (§ 680 BGB) nicht eingreift (BGH, Urteil vom 04.04.2019 - III ZR 35/18).
Für die Mitglieder kommunaler Gebietskörperschaften (z. B. Gemeinderat, Kreistag) gelten nach der Rechtsprechung dieselben Sorgfaltsmaßstäbe wie für alle übrigen Amtswalter, da sonst das Schadensrisiko in unzumutbarer Weise auf den Bürger verlagert würde (vgl. BGH NJW 1989, 976, 978; BGH NVwZ 1986, 504, 505.). Verfügen beispielsweise die Mitglieder eines Gemeinderats nicht über ausreichende Sachkunde, so müssen sie sich vor der Beschlussfassung bei ihrer Verwaltung, bei anderen Fachbehörden oder notfalls bei unabhängigen Sachverständigen kundig machen (BGH NJW 1989, 976, 978; BGH NVwZ 2006, 117.). Gemeinderatsmitglieder können sich deshalb nicht auf einen „laienhaften Sachverstand“ berufen. Auch ein Landrat muss die Befugnisse und Grenzen des von ihm übernommenen Amtes kennen, selbst wenn er vor seiner Berufung in dieses Amt über keinerlei Verwaltungspraxis verfügt hat (BGH NJW 2001, 709, 711.).
Ein besonders strenger Sorgfaltsmaßstab gilt schließlich für Behörden, die – wie etwa die Finanzämter – durch den Erlass von bestimmten Bescheiden selbst vollstreckbare Titel schaffen.
Fehlerhafte Rechtsanwendung
Eine objektiv unrichtige Gesetzesauslegung oder Rechtsanwendung durch den Amtswalter ist schuldhaft, wenn sie gegen den klaren und eindeutigen Wortlaut der Norm verstößt oder wenn aufgetretene Zweifelsfragen durch die höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt sind, sei es auch nur in einer einzigen Entscheidung (BGH NJW-RR 1992, 919; BGH NJW 1985, 1692, 1693, OLG Celle, Urteil vom 26. Juni 2014 – 16 U 47/14, OLG Koblenz NVwZ-RR 2003, 168 und LG München I NVwZ-RR 2003, 169 zur fehlerhaften Anwendung steuerrechtlicher Normen).
Sofern andererseits die nach sorgfältiger rechtlicher und tatsächlicher Prüfung gewonnene Rechtsansicht des Amtsträgers rechtlich vertretbar ist, kann aus der später erfolgenden rechtlichen Missbilligung dieser Rechtsauffassung durch ein Gericht ein Schuldvorwurf nicht hergeleitet werden (BGH NJW 1995, 2918, 2920; BGH NVwZ 2000, 1206, 1208; OLG Celle, Urteil vom 26. Juni 2014 – 16 U 47/14).
Auch wenn sich die Behörde einem in erster Instanz gegen sie ergangenen Urteil nicht beugt, ihren abweichenden Standpunkt im Rechtsmittelwege verfolgt und auch in den weiteren Instanzen unterliegt, handelt sie nicht ohne Weiteres fahrlässig. Ob die Rechtslage durch das erstinstanzliche Urteil so eindeutig geklärt worden ist, dass das Festhalten der Behörde an ihrer ursprünglichen Auffassung nicht mehr vertretbar erscheint, muss stets im Einzelfall beurteilt werden (BGH NJW 1994, 3158, 3159; OLG München OLGR 2002, 435).
Ein Verschulden bei der Rechtsanwendung wird außerdem verneint, wenn ein mit mehreren Berufsrichtern besetztes Kollegialgericht die Amtshandlung für rechtmäßig erklärt hat (BGH NVwZ-RR 2003, 166; BVerwG BayVBl. 2004, 153.). Ausnahmen:
2. Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens
Der Amtshaftungsanspruch setzt voraus, dass die Amtspflichtverletzung für den Schaden kausal war. Anders als beim Anspruch nach § 823 Abs. 1 BGB wird beim Amtshaftungsanspruch nicht die auf eine Verletzung bestimmter Rechtsgüter oder Rechte bezogene haftungsbegründende, sondern nur die haftungsausfüllende Kausalität zwischen Amtspflichtverletzung und Schaden geprüft (vgl. Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 73).
Zur Beantwortung der Frage, ob die Amtspflichtverletzung für den behaupteten Schaden ursächlich war, ist zu prüfen, welchen Verlauf die Dinge bei pflichtgemäßem Verhalten des Amtsträgers genommen hätten und wie sich in diesem Falle die Vermögenslage des Verletzten darstellen würde (BGH NVwZ 1997, 714, 724). Eine Schadensersatzpflicht besteht deshalb nicht, wenn keine überwiegende Wahrscheinlichkeit im Sinne von § 287 ZPO dafür besteht, dass dem Geschädigten der geltend gemachte Schaden bei pflichtgemäßen Handeln nicht entstanden wäre (OLG Hamm, Urteil vom 04. Februar 2015 – I-11 U 35/14, 11 U 35/14 –, juris).
Wenn es nicht um eine Ermessensentscheidung, sondern um eine gebundene Entscheidung geht, ist darauf abzustellen, wie die Behörde nach Auffassung des über den Amtshaftungsanspruch entscheidenden Gerichts richtigerweise hätte entscheiden müssen (OLG Dresden, Endurteil vom 27.04.2018 - 1 U 1701/16).
Liegt ein Ermessensfehler vor, so ist bei der Kausalitätsprüfung darauf abzustellen, wie die Behörde tatsächlich entschieden hätte, wenn ihr der Ermessensfehler nicht unterlaufen wäre. Nur wenn feststeht, dass bei pflichtgemäßer Ermessensausübung die Entscheidung anders ausgefallen wäre, kann die Kausalität bejaht werden (OLG München, Beschl. V. 18.07.2011, Az. 1 W 904/11; vgl. auch BGH NVwZ 1985, 682).
2. Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens
Nach der Rechtsprechung des BGH wird bei Amtshaftungsansprüchen wegen verfahrensfehlerhaft zustande gekommener behördlicher Entscheidungen der Einwand des Beklagten zugelassen, bei ordnungsgemäßem Verfahren hätte eine gleichlautende behördliche Entscheidung ergehen müssen (BGH NVwZ 2008, 815). Bei diesem Einwand des „rechtmäßigen Alternativverhaltens“ geht es um die der Bejahung des Kausalzusammenhangs nachfolgende Frage, inwieweit einem Schadensverursacher die Folgen seines pflichtwidrigen Verhaltens bei wertender Betrachtung billigerweise zugerechnet werden können.
Der Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens setzt aber voraus, dass derselbe Erfolg effektiv herbeigeführt worden wäre; die bloße Möglichkeit, ihn rechtmäßig herbeiführen zu können, reicht nicht aus.
1. Anderweitige Ersatzmöglichkeit, § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB
Bei Fahrlässigkeit des Amtsträgers kommt nach § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB ein Amtshaftungsanspruch nur in Betracht, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag. Der Geschädigte muss sich also auf Ersatzansprüche gegen einen Dritten, der neben dem Amtsträger Mitschädiger ist, verweisen lassen.
Bei der anderweitigen Ersatzmöglichkeit handelt es sich um ein „negatives Tatbestandsmerkmal“. Die Unmöglichkeit, anderweitig Ersatz zu erlangen, bildet einen Teil des Tatbestands, aus dem sich der Amtshaftungsanspruch herleitet. Dementsprechend hat der Verletzte das Vorliegen dieser zur Klagebegründung gehörenden negativen Voraussetzung des Amtshaftungsanspruchs darzulegen und im Bestreitensfall zu beweisen (BGH NJW 2002, 1266; BGH NJW 1993, 1647; BGH NJW 1991, 1171; BGHZ 37, 375, 378 st. Rspr.; Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 81).
Besteht eine anderweitige Ersatzmöglichkeit, die den Schaden vollständig abdeckt, so ist die Amtshaftungsklage unbegründet (BGH VersR 1978, 252; OLG Karlsruhe VersR 2003, 1406). Verbleibende Unklarheiten darüber gehen zu Lasten des Klägers und haben zur Folge, dass die Klage als „zur Zeit unbegründet” abzuweisen ist (BGH NJW 1995, 2713, 2715 m. w. N.; OLG Hamm NVwZ 1995, 309).
Vermag die andere Ersatzmöglichkeit den Schaden nicht vollständig auszugleichen, kann hinsichtlich des „überschießenden Teils“ eine Amtshaftungsklage erhoben werden.
§ 839 Abs. 1 Satz 2 BGB setzt zunächst voraus, dass die rechtliche Möglichkeit besteht, den Schaden von einem Dritten ersetzt zu bekommen.
Die Möglichkeit anderweitigen Ersatzes erfordert das Vorhandensein von realisierbaren Ersatz- oder Ausgleichsansprüchen. Die Subsidiaritätsklausel findet nur Anwendung, wenn der Geschädigte den anderweitigen Ersatzanspruch tatsächlich durchsetzen kann. Die bloße rechtliche Möglichkeit, auch Ansprüche gegen einen Drittschädiger geltend zu machen, reicht nicht aus.
Da sich der Anspruch aus § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG auf alsbaldigen Schadensersatz richtet, (BGH NJW 1993, 1647; BGH NJW 1981, 675, 676) muss die Inanspruchnahme anderweitigen Ersatzes für den Geschädigten zumutbar sein (BGH NJW 1993, 1647). Weitläufige, unsichere oder im Ergebnis zweifelhafte Wege des Vorgehens braucht der Geschädigte nicht einzuschlagen (BGH NJW 1993, 1647, 1648; BGH BeckRS 2007, 11940; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 19. Juli 2016 – 2 U 8/15 –, juris). Eine Inanspruchnahme anderweitigen Ersatzes ist nach der Rechtsprechung beispielsweise unzumutbar,
Der Geschädigte ist also jedenfalls nicht dazu verpflichtet, gegen den Dritten einen aussichtslosen Rechtsstreit bis in die letzte Instanz durchzufechten (BGH NJW-RR 2005, 284).
Maßgeblicher Zeitpunkt für das Bestehen einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit i. S. v. § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB ist grundsätzlich der Zeitpunkt der Erhebung der Amtshaftungsklage (BGH NJW 1993, 1647, 1649; OLG Frankfurt a.M. NJW-RR 2006, 416). Der Beklagte kann sich im Amtshaftungsprozess nicht mehr darauf berufen, dass sich für den Geschädigten nach Erhebung der Amtshaftungsklage eine anderweitige Ersatzmöglichkeit ergeben habe (BGH NJW 1993, 1647, 1648; RGRK-Kreft, § 839 BGB, Rdn. 507).
Hat es der Betroffene schuldhaft unterlassen, eine andere Ersatzmöglichkeit wahrzunehmen oder hat er – z. B. im Vergleichswege – auf Ansprüche verzichtet (BGH NJW 1995, 2713, 2714) oder diese verjähren lassen, (BGH BB 1992, 950) ist er grundsätzlich (vgl. BGH NJW 1995, 2713, 2714 f. m. w. N) so zu behandeln, als ob er die Ansprüche realisiert hätte.
Haften mehrere zum Ersatz verpflichtete Dritte gesamtschuldnerisch, so ist bei Zweifeln hinsichtlich der Zahlungsfähigkeit ratsam, jeden der Gesamtschuldner zu verklagen. Bleibt nämlich das Vorgehen gegen nur einen Gesamtschuldner erfolglos, während die rechtzeitige Inanspruchnahme eines anderen zum Erfolg geführt hätte, gilt dies als rechtserhebliches Versäumnis (Haug, Rdn. 208 m. w. N).
Keine „anderweitige“ Ersatzmöglichkeit liegt vor, wenn der Geschädigte einen Ersatzanspruch gegen eine weitere juristische Person des öffentlichen Rechts hat und sich dieser Anspruch demselben Tatsachenkreis zuordnen lässt wie der Amtshaftungsanspruch. Die öffentliche Hand ist insoweit als wirtschaftliche Einheit zu betrachten (BGH NJW 2003, 348, 350; Brandenburgisches OLG, Urt. v. 10.11.2009, Az. 2 U 42/08. ). Der andere Verwaltungsträger könnte sonst den Geschädigten seinerseits auf § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB verweisen, sodass dieser durch die wechselseitige Verweisungsmöglichkeit rechtlos gestellt würde (vgl. Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 86; zur Haftung für Zivildienstleistendevgl. BGH NJW 2003, 348).
Nach § 839 Abs. 2 Satz 1 BGB haftet ein Beamter, der bei einem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht verletzt, nur dann, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht.
Fallgruppen der richterlichen Haftung:
Sinn und Zweck des sog. „Richterspruchprivilegs“ ist nicht der Schutz der richterlichen Unabhängigkeit, sondern die Gewährleistung des Rechtsfriedens auf der Grundlage der Rechtskraft richterlicher Entscheidungen (Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 103; MüKo-Papier, § 839 BGB, Rdn. 323 m. w. N) (deshalb „Richterspruchprivileg“ und nicht „Spruchrichterprivileg“)
Zu beachten ist jedoch, dass amtspflichtwidriges Verhalten bei richterlichen Entscheidungen außerhalb des Richterspruchprivilegs im Amtshaftungsprozess geltend gemacht werden kann. In diesen Fällen ist aber der Verfassungsgrundsatz der richterlichen Unabhängigkeit zu berücksichtigen, so dass nur besonders grobe Verstöße vorwerfbar sind (BGH NJW 2003, 3052, 3053; BGH NJW-RR 1992, 919; OLG Frankfurt NJW 2001, 3270, 3271; Staudinger-Wurm, § 839 BGB, Rdn. 313).
„Beamter“ i. S. d. § 839 Abs. 2 Satz 1 BGB ist der „Spruchrichter“, d. h. der Richter i. S. v. Art. 97 GG. Zu den Spruchrichtern zählen auch Beisitzer, Schöffen und andere ehrenamtliche Richter. Keine Spruchrichter sind Schiedsrichter, Schiedsgutachter oder vom Gericht bestellte Sachverständige (Palandt-Sprau, § 839 BGB, Rdn. 64 m. w. N).
Da § 839 Abs. 2 Satz 1 BGB vornehmlich den Schutz der Rechtskraft der Entscheidung bezweckt, fallen unter den Begriff des „Urteils“ alle gerichtlichen Entscheidungen, denen verfahrensbeendende Wirkung zukommt, die unter den für ein Urteil notwendigen Bedingungen zustande kommen und die mit Rechtskraftwirkung ausgestattet sind (BGH NJW 2005, 436; danach genügt selbst eine „interimistische Befriedungsfunktion“). Dabei ist unerheblich, ob diese Entscheidungen formal als Urteil, als Beschluss oder in Form einer Verfügung ergehen. Urteile in diesem Sinne sind:
Da es nach dem Wortlaut des § 839 Abs. 2 Satz 1 BGB auf die Amtspflichtverletzung nicht „durch“ Urteil, sondern „bei“ einem Urteil ankommt, gilt das Richterspruchprivileg auch für Maßnahmen, die darauf gerichtet sind, die Grundlagen für die richterliche Sachentscheidung zu gewinnen. Hierzu zählen z. B. Entscheidungen über die Einholung von Sachverständigengutachten sowie über die Auswahl und Beauftragung von Sachverständigen (BGHZ 50, 14, 16 f.; BGH VersR 1984, 77). In diesen Fällen greift das Richterspruchprivileg auch dann ein, wenn das Verfahren ohne ein Urteil endet (aber jedenfalls mit einem Urteil enden könnte) (OLG Bremen NJW-RR 2001, 1036).
Richterliche Entscheidungen, welche die genannten Kriterien eines Urteils i. S. v. § 839 Abs. 2 BGB nicht erfüllen, fallen nicht unter das Richterspruchprivileg. Eine Anwendbarkeit des Privilegs wurde z. B. verneint für
Die Ersatzpflicht tritt aber ein, wenn die Amtspflichtverletzung zugleich einen Straftatbestand verwirklicht hat. In Betracht kommen hierbei insbesondere die Tatbestände der Bestechlichkeit (§ 332 StGB) und der Rechtsbeugung (§ 339 StGB) (Bamberger/Roth-Reinert, § 839 BGB, Rdn. 88). Dabei ist zu beachten, dass „Richter“ i. S. d. StGB auch die Laienrichter sind (vgl. § 11 Abs. 1 Nr. 3 StGB).
Keine Anwendung findet das Richterspruchprivileg gem. § 839 Abs. 2 Satz 2 BGB bei pflichtwidriger Verweigerung oder Verzögerung der Amtsausübung, da die Verweigerung oder Verzögerung eines Richterspruchs nicht Gegenstand eines Urteils sein kann, sodass der Amtshaftungsanspruch bei unvertretbarer Verfahrensverzögerung regelmäßig gegeben sein wird (LG München I DRiZ 2006, 49; zu den Auswirkungen auf die Beschwerde nach Art. 6 Abs. 1 EMRK siehe Gundel, DVBl. 2004, 17). Dies gilt auch bei einer Prozessverzögerung durch eine überflüssige Beweiserhebung, da das Privileg nach § 839 Abs. 2 Satz 1 BGB nur die Rechtskraft von richterlichen Entscheidungen schützen soll, nicht aber rein verfahrensrechtliche Amtspflichtverletzungen eines Richters entschädigungslos stellen soll; Voraussetzung ist aber, dass die Verfahrenshandlung offensichtlich für das Urteil keine Bedeutung hatte (Brüning, NJW 2007, 1094, 1098; Blomeyer, NJW 1977, 557; MüKo-Papier, § 839 BGB, Rdn. 327; a. A. Palandt-Sprau, § 839 BGB, Rdn. 67).
Gem. § 839 Abs. 3 BGB tritt die Ersatzpflicht nicht ein, wenn es der Verletzte schuldhaft unterlassen hat, den Schaden durch den Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.
Liegt die Amtspflichtverletzung im Erlass eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts, etwa eines rechtswidrigen Bauvorbescheids, ist für die Anwendung von § 839 Abs. 3 BGB grundsätzlich kein Raum, da der Geschädigte durch einen begünstigenden Bescheid zunächst nie in einer die verwaltungsgerichtliche Klagebefugnis begründenden Weise beschwert wird (BGH NJW 1993, 2303, 2305; Staudinger-Wurm, § 839 BGB, Rdn. 382). Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Klage etwa des Nachbarn erstinstanzlich erfolgreich war und deshalb der Geschädigte erwägen muss, gegen dieses Urteil Rechtsmittel einzulegen.
„Rechtsmittel“ i. S. v. § 839 Abs. 3 BGB sind alle Rechtsbehelfe im weitesten Sinn, die der Betroffene gegen das schädigende Verhalten des Amtsträgers ergreifen konnte (BGH VersR 1982, 954; Palandt-Sprau, § 839 BGB, Rdn. 69). Sie müssen aber darauf abzielen und geeignet sein, das schädigende Verhalten des Amtsträgers zu beseitigen oder zu berichtigen und dadurch die Entstehung eines Schadens zu verhindern bzw. abzumindern (BGH NJW-RR 2004, 706). Der Begriff des Rechtsmittels beschränkt sich deshalb nicht auf die förmlichen Rechtsmittel, sondern umfasst auch die formlosen und die förmlichen sonstigen Rechtsbehelfe (Bamberger/Roth-Reinert, § 839 BGB, Rdn. 92). Stehen verschiedene Rechtsmittel zur Verfügung, muss der potentiell Geschädigte ein möglichst effektives Rechtsmittel wählen (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 08. September 2015 – 2 U 28/14).
Rechtsmittel sind
Feststellungsklagen sind dagegen nur in besonderen Situationen Rechtsmittel im Sinne des § 839 Abs. 3 BGB (BGH Report 2006, 774). Rechtsmittel sind ebenfalls die jeweiligen Rechtsmittel im Instanzenzug, etwa die Nichtzulassungsbeschwerde (OLG Hamm, Beschluss vom 21. November 2014 – 11 W 97/14).
Nach der Rechtsprechung zählen auch die Dienstaufsichtsbeschwerde, die Gegenvorstellung und die sonstigen formlosen Rechtsbehelfe zu den „Rechtsmitteln“ i. S. d. § 839 Abs. 3 BGB (BGH WM 1985, 336, 338; BGH VersR 1985, 358, 359; BGH NJW 1986, 1924). Bei Verfahrensfehlern in Prüfungsverfahren muss der Teilnehmer Abhilfe verlangen (OLG Düsseldorf VersR 1993, 99). Auch die einfache Nachfrage bei der zuständigen Behörde oder – bei Unterlassungen – ein Antrag auf Tätigwerden der Behörde soll ein „Rechtsmittel“ im Sinne von § 839 Abs. 3 BGB sein (OLG Düsseldorf NJW-RR 1995, 13). Verlangt wird sogar, dass der Geschädigte gegebenenfalls auf einem förmlichen Bescheid bestehen muss und dann von den Rechtsmittelmöglichkeiten Gebrauch macht (OLG München, Beschl. V. 12.02.2012, Az. ! W 2126/11).
Nicht zu den Rechtsmitteln zählen
In jedem Fall muss die Rechtsbehelfseinlegung „ernsthaft“, d. h. auf einen sachlichen Erfolg ausgerichtet sein und sich unmittelbar gegen den Amtspflichtverstoß richten, da sonst kein „Gebrauch“ eines Rechtsmittels i. S. v. § 839 Abs. 3 BGB gegeben ist. An einer ernsthaften Rechtsbehelfseinlegung kann es z. B. fehlen, wenn der Rechtsbehelf nicht begründet worden ist; eine unrichtige oder unvollständige Begründung schadet aber nicht (BGHZ 56, 57, 59). Das Rechtsmittel muss im Übrigen ergriffen werden; die entscheidungsbefugten Personen von der eigenen Rechtsauffassung lediglich zu unterrichten genügt nicht (OVG Münster, Beschluss vom 08.06.2017 - 6 A 1018/17).
Die Nichteinlegung des Rechtsmittels muss verschuldet sein. Da es sich hier um ein Verschulden des Geschädigten „gegen sich selbst“ handelt, ist darauf abzustellen, welches Maß an Kenntnissen und Sorgfalt von dem Verkehrskreis erwartet werden kann, dem der Geschädigte angehört (BGH NVwZ 1991, 915; Hoppe, JA 2011, 167, 170).
Fahrlässigkeit liegt in der Regel vor, wenn der Geschädigte ein Rechtsmittel nicht ergreift, obwohl es aufgrund gefestigter Rechtsprechung erfolgversprechend erscheint (OLG Karlsruhe VersR 2006, 121). Bei fehlenden Rechtskenntnissen liegt regelmäßig ein Verschulden vor, wenn der Geschädigte Rechtsrat einholen konnte (Bamberger/Roth-Reinert, § 839 BGB, Rdn. 95; Palandt-Sprau, § 839 BGB, Rdn. 71). Allerdings darf der Bürger im Allgemeinen auf die Richtigkeit einer amtlichen Belehrung oder Beratung vertrauen, soweit keine gewichtigen Gründe gegen deren Richtigkeit sprechen (BGHZ 108, 224, 230).
Die Nichteinlegung eines weiteren Rechtsmittels ist in der Regel nicht verschuldet, wenn sich die Partei auf die Richtigkeit einer erstinstanzlichen gerichtlichen Entscheidung verlässt, es sei denn, besondere Umstände lassen ein Rechtsmittel als aussichtsreich erscheinen (BGH MDR 1985, 1000). Die Nichteinlegung des Rechtsmittels ist auch nicht schuldhaft, solange der Betroffene die Wahl zwischen der alsbaldigen Einlegung des Rechtsmittels und einer aussichtsreichen Verhandlung mit der Behörde hat (BGH VersR 1989, 959).
Zwischen der Nichteinlegung des Rechtsmittels und dem Schadenseintritt muss ein Kausalzusammenhang bestehen. Dabei ist zu vergleichen, wie sich die Situation des Geschädigten ohne Einlegung des Rechtsmittels darstellt und wie sie sich bei Einlegung entwickelt hätte. Das über den Schadensersatzanspruch befindende Gericht muss Feststellungen über die hypothetische Kausalität zwischen der Nichteinlegung des Rechtsbehelfs und dem Schadenseintritt treffen; der Ausschlusstatbestand des § 839 Abs. 3 BGB greift nur und insoweit ein, wie ein Rechtsmittel - im damaligen Zeitpunkt - zum Erfolg geführt hätte (BVerwG, Beschluss vom 08.06.2017 - Aktenzeichen 2 B 17.17).
Kommt es für die Ursächlichkeit der Nichteinlegung eines förmlichen Rechtsbehelfs (Widerspruch, Klage) auf die Entscheidung einer Behörde oder eines Gerichts über diesen Rechtsbehelf an, so ist darauf abzustellen, wie das Gericht oder die Behörde nach Auffassung des Gerichts des Amtshaftungsprozesses richtigerweise hätte entscheiden müssen (Palandt-Sprau, § 839 BGB, Rdn. 73).
Gem. § 195 BGB verjährt der Schadensersatzanspruch aus § 839 Abs. 1 BGB nach drei Jahren.
Gem. § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB setzt der Beginn der Regelverjährung voraus, dass der Anspruch entstanden ist. Der Anspruch entsteht, wenn alle Tatbestandsmerkmale erfüllt sind. Erforderlich ist ferner, dass der Anspruch fällig ist, da ohne Durchsetzbarkeit des Anspruchs keine Verjährung möglich ist (Mansel, NJW 2002, 89, 91 m. w. N.; Jauernig, § 199 BGB, Rdn. 2; der Grundsatz der Schadenseinheit findet auch im neuen Verjährungsrecht Anwendung, Palandt-Heinrichs, § 199 BGB, Rdn. 3; BGH NVwZ 2007, 362).
Als zusätzliches, subjektives Kriterium muss schließlich der Gläubiger Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen erlangt haben oder seine Unkenntnis mindestens auf grober Fahrlässigkeit beruhen, § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB.
Eine hinreichende Kenntnis liegt vor, wenn der Geschädigte die tatsächlichen Umstände kennt, die eine schuldhafte Amtspflichtverletzung als naheliegend, mithin eine Amtshaftungsklage als so aussichtsreich erscheinen lassen, dass dem Verletzten die Erhebung der Klage zugemutet werden kann (BGHZ 138, 247, 252; OLG Hamm, Urt. v. 19.11.2010, Az. 11 U 156/10; OLG München, Beschl. v. 16.03.2009, Az. 1 U 1639/09; Palandt-Heinrichs, § 199 BGB, Rdn. 34). Grob fahrlässige Unkenntnis des Gläubigers ist gegeben, wenn seine Unkenntnis auf einer besonders schweren Vernachlässigung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt beruht. Unverzichtbar ist ein subjektiv schwerer Verstoß des Gläubigers (Palandt-Heinrichs, § 199 BGB, Rdn. 36).
Bezugspunkt der Kenntnis sind die anspruchsbegründenden Tatsachen. Zu diesen zählt das pflichtwidrige und schuldhafte Verhalten des Amtsträgers. In Fällen fahrlässiger Pflichtverletzung gehört auch das „negative Tatbestandsmerkmal“ des Fehlens einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit (§ 839 Abs. 1 Satz 2 BGB) dazu. Da das Fehlen einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit zu den vom Kläger darzulegenden und zu beweisenden Anspruchsvoraussetzungen gehört, beginnt der Lauf der Verjährung entweder mit der Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis des Klägers davon, dass er auf andere Weise keinen Ersatz erlangen kann, oder in dem Zeitpunkt, in dem der Kläger sich im Prozesswege oder auf andere Weise hinreichende Klarheit darüber verschaffen kann, ob und in welcher Höhe ihm ein anderweitiger Ersatzanspruch zusteht (BGH NJW 1993, 933, 934). Der Geschädigte kann also nicht durch Untätigkeit oder Nichtausschöpfen anderweitiger Ersatzmöglichkeiten den Beginn der Verjährung beliebig hinausschieben (so schon vor Änderung des Verjährungsrechts BGH NJW 1993, 933, 935;vgl. auch Schlick/Rinne, NVwZ 1997, 1171, 1178).
Die Verjährungsfrist beginnt schließlich erst mit dem Schluss desjenigen Jahres, in dem die oben genannten Voraussetzungen eingetreten sind.
Gem. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB wird die Verjährung durch die Erhebung der Amtshaftungsklage gehemmt. Die Hemmung endet sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung des eingeleiteten Verfahren, § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB. Unschädlich ist, wenn die Klage beim örtlich unzuständigen Gericht eingereicht wird (BGH NJW 1994, 3162, 3164 f).
Ein Antrag auf Prozesskostenhilfe hemmt die Verjährung ebenfalls. Das gilt allerdings nur, wenn das Gericht den Antrag dem Gegner rechtzeitig bekannt gibt. Hierzu ist das Gericht jedoch nur verpflichtet, wenn der Antragsteller mit dem Antrag auf den drohenden Eintritt der Verjährung hinweist und um die zügige Veranlassung der Bekanntgabe unabhängig von den Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung bittet (OLG Frankfurt, Urteil vom 29. September 2014 – 1 U 55/13).
Entsprechend der Rechtsprechung des BGH zu § 209 Abs. 1 BGB a.F. tritt bei belastenden Verwaltungsmaßnahmen eine Hemmung der Verjährung in analoger Anwendung des § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB auch durch die Erhebung von Widerspruch oder verwaltungsgerichtlicher Klage ein (BGH NJW 1993, 2303, 2305; BGH NJW 2011, 2586, 2590 (zum sozialgerichtlichen Verfahren).
Die Klage des Schädigers – gegen die Erteilung einer von ihm abgelehnten Genehmigung durch die Widerspruchsbehörde – hemmt die Verjährung aber nicht (OLG München, Urt. v. 05.11.2009, Az. 1 U 5235/08). In derartigen Fällen ist es dem Geschädigten jedoch regelmäßig nicht zumutbar, parallel eine Amtshaftungsklage (wegen der verspäteten Erteilung der Genehmigung) zu erheben (OLG München, Urt. v. 05.11.2009, Az. 1 U 5235/08).
Die Geltendmachung eines Anspruchs aus § 1 StHG-DDR im behördlichen Vorverfahren gem. § 5 StHG-DDR hemmt dagegen nur die Verjährung des Anspruchs gem. § 1 StHG-DDR, nicht jedoch eines konkurrierenden Anspruchs gem. § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG, da es sich um unterschiedliche Streitgegenstände handelt (BGH, NJ 2003, 539, 540 mit Verweis auf BGH NJW 2000, 2678, 2679).
Erhebt der Betroffene zunächst Klage gegen einen ersatzpflichtigen Dritten (z. B. bei Überbauung eines altlastenverseuchten Grundstücks zunächst gegen den Verkäufer statt gegen die Gemeinde, deren amtliche Auskunft zur Altlastenfreiheit ausschlaggebend für den Erwerb war), so wird durch die Erhebung dieser Klage die Verjährung des gegen die öffentlich-rechtliche Körperschaft gerichteten Amtshaftungsanspruchs nicht gehemmt (BGH NJW 1990, 178, 179 zu § 209 Abs. 1 BGB a. F.; dazu Rotermund/Krafft, Rdn. 100). Vielmehr muss der Geschädigte in diesem Fall der öffentlich-rechtlichen Körperschaft den Streit verkünden. Nach § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB wird durch die Streitverkündung in dem Prozess, von dessen Ausgang der (Amtshaftungs-)Anspruch abhängt, die Verjährung des Anspruchs gehemmt. Ist allerdings die Klage gegen den möglicherweise ersatzpflichtigen Dritten mit erheblichen Zweifeln verbunden (und deshalb die Klage nicht geboten), kann die Verjährungshemmung trotz Streitverkündung ausgeschlossen sein; (BGH NJW 2007, 834) hier ist größte Vorsicht geboten.
Für den Amtshaftungsanspruch gelten grundsätzlich die allgemeinen schadensrechtlichen Vorschriften der §§ 249 ff. und §§ 843 bis 846 BGB, (Palandt-Sprau, § 839 BGB, Rdn. 79; Schlick/Rinne, NVwZ 1997, 1065, 1077) jedoch mit der Besonderheit, dass der Anspruch nur auf Geldersatz gerichtet ist.
Die Naturalrestitution ist, sofern sie ein hoheitliches Handeln (z. B. die Rückgängigmachung oder den Erlass eines VA) erfordern würde, wegen der Besonderheiten des Amtshaftungsrechts ausgeschlossen. Der Grund hierfür besteht zum einen darin, dass der Anspruch aus § 839 BGB – für sich genommen – nur gegen den Beamten gerichtet ist. Dieser kann aber als Privatperson keine hoheitlichen Akte vornehmen, sondern nur Schadensersatz in Geld leisten. Gem. Art. 34 GG wird die so umrissene Haftung des Beamten lediglich auf den Staat übergeleitet, aber nicht erweitert. Vom Staat kann deshalb über § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG nicht mehr verlangt werden als vom Beamten nach § 839 BGB (Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 111 m. w. N). Zum anderen soll verhindert werden, dass die ordentlichen Gerichte durch die Verurteilung zur Vornahme einer hoheitlichen Tätigkeit in den Zuständigkeitsbereich der Verwaltungsgerichte eingreifen (Palandt-Sprau, § 839 BGB, Rdn. 78). Eine Naturalrestitution kann der Geschädigte also nicht im Wege der Amtshaftungsklage erreichen. Vielmehr muss er vor dem Verwaltungsgericht einen öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruch geltend machen.
Zu ersetzen ist das negative Interesse. Maßgeblich ist damit, wie sich die Vermögenslage des Betroffenen bei pflichtgemäßem Handeln des Amtsträgers entwickelt hätte (BGH NJW 2003, 3047; BGH NVwZ 1997, 714, 724).
Zum ersatzfähigen Schaden gehören:
II. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Feststellung des Schadens
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Feststellung des Schadens ist grundsätzlich die letzte mündliche Tatsachenverhandlung im Amtshaftungsprozess (BGH NJW 1990, 1038; Palandt-Sprau, § 839 BGB, Rdn. 80).
Führt die Amtspflichtverletzung zu einer Körper- oder Gesundheitsverletzung, zu einer Freiheitsentziehung, zur Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung oder – extra legem – zu einer Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts, so kann der Verletzte ergänzend zum materiellen Schadensersatzanspruch Schmerzensgeld gem. § 253 Abs. 2 BGB verlangen (vgl. BGHZ 78, 274, 279.
Voraussetzung für eine Geldentschädigung wegen der Verletzung immaterieller Persönlichkeitsbestandteile ist aber eine hinreichende Schwere und das Fehlen einer anderweitigen Genugtuungsmöglichkeit.
Beispiele:
Bei einer Verletzung der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG und des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts kommt darüber hinaus die Zahlung einer Geldentschädigung in Betracht (BVerfG NJW 2010, 820; OLG Frankfurt, Urt. v. 10.10.2012, Az. 1 U 210/11; LG Frankfurt JR 2012, 36 ff.; zur Geldentschädigung wegen unzumutbarer Haftbedingungen OLG München, Beschl. v. 07.02.2012, Az. 1 W 102/12 und Eichinger, JR 2012, 57 ff. Zur Geldentschädigung wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung OLG München, Beschl. v. 26.07.2010, Az. 1 U 2201/10, und LG Berlin NVwZ 2010, 851 (Beschattung eines Journalisten durch den BND)). Allerdings können eine hinreichende Genugtuung und ein Ausgleich bereits in der „bloßen“ gerichtlichen Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahme und des Verstoßes der Maßnahme gegen Art. 1 Abs. 1 GG liegen, sodass eine Geldzahlung unterbleibt (BVerfG NJW 2010, 433; BVerfG NJW 2006, 1580; BGH NJW 2005, 58; OLG Hamburg FamRZ 2011, 1671).
Der Anspruch auf Geldentschädigung wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung ist grundsätzlich nicht vererblich (BGHZ 201, 45, 8 ff.; BGH, Urteil vom 29.11.2016 – VI ZR 530/15).